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BIBLIOTHECA RABBINICA.
EINE SAMMLUNG
ALTER MIDRASCHIM
ZUM ERSTEN MALE INS DEUTSCHE ÜBERTRAGEN
VON
DR. AUG. WÜNSCHE.
SECHSTE LIEFERUNG: DER MIDRASCH SCHIR HA-SCHIRI^L
LEIPZIG OTTO SCHULZE
II. Quer-Str. n. 1880.
DER
MIDRASCH
SCHIR HA-SCHIRIM,
ZUM ERSTEN MALE INS DEUTSCHE ÜBERTRAGEN
VON
LIC. DR. AUG. WÜNSCHE.
LEIPZIG OTTO SCHULZE
II. Quer-Strasse ii. 1880.
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EINLEITUNG.
I. Inhalt und Charakter des Midrasch zum Hohenliede.
Der Midrasch zum Hohenliede, nach dem Anfangstextworte auch Midrasch Chasita, Agadat Chasita (rfTn m."N) genannt, ist keine Auslegung des Hohenliedes im modernen Sinne, die Verse sind vielmehr, wie Dr. Salfeld (s. das Hohelied Salomos bei den jüdischen Erklärern des Mittelalters, Berlin 187g, S» 14) sehr richtig bemerkt, „meist nur die Fäden, welche die aus dem „Garten" der Haggada gesammelten färb- und schmelzreichen Blumen umschlingen und zu Sträussen verknüpfen."
Die Einleitung des Midrasch erörtert die Fragen über Autor- schaft, Abfassungszeit und Kanonicität des Hohenliedes. Dass Sa- lomo der Verfasser des Hohenliedes sei, wird ausser allen Zweifel gestellt. „Drei Bücher", heisst es ausdrücklich, „schrieb Salomo, die Sprüche, den Prediger und das Hohelied." Anders verhält es sich mit der Zeit der Abfassung, da werden zwei Ansichten vorgetragen; nach der einen ist das Hohelied ein Produkt der Jugend, nach der andern ein Produkt des Alters Salomos. Die Kanonicität und der Inspirationscharakter des Hohenliedes wird zugestanden; denn als Salomo dasselbe niederschrieb, ruhte der heilige Geist auf ihm. ,,Alle Hagiographen sind zwar heilig", lautet ein Ausspruch des R. Akiba, „das Hohelied aber ist das allerhciligste und die ganze Welt ist nicht so wichtig, wie der Tag, an welchem das Hohelied gegeben wurde. Daher wird das Hohelied auch als „das preiswürdigste, vor- züglichste und hochgeschätzteste Lied unter den Liedern" (nm"i!:72r; an'cni:;' bobiorn ,G'"i'w'nc nbir^on, n"'-i"''C3'^) bezeichnet. An einer andern Stelle heisst es dassjenige Lied, in welchem „Gott uns preiset und wir ihn preisen."
Die Auslegungen, Erklärungen und Deutungen des Midrasch zum Hohenliede, nicht selten in das Gewand der Homilie gehüllt.
Yj Einleitung.
bewegen sich frei, ohne jede Fessel; die Textworte werden auf die mannigfachste Art variirt und bald auf geschichtliche Ereignisse, bald auf das praktische Leben mit seinen religiösen Bedürfnissen angewandt. Die Leiden und Schmerzen der Gemeinde Israel, wie ihre Erwartungen und Hoffnungen tönen in hellen Accorden uns entgegen. Mehr als einmal wird auf das messianische Zeitalter hin- gewiesen, um die gebeugten Gemüther aufzurichten. Ausserordent- lich farbenreich ist namentlich das Bild über die Wehen des Mes- sias (n^'ili?: "»ban) d. i. über den traurigen Zeitabschnitt, welcher der Ankunft des Davidsohnes vorausgehen soll.
Nicht mit Unrecht bezeichnet Delitzsch (s. Zur Geschichte der jüdischen Poesie, Leigzig 1836, S. 136) den Midrasch zum Hohen- liede als eine „mystisch erotische Epop()e", es spielt sich wirklich im Hintergrunde das traute Verhältniss Gottes zur Gemeinde Israel in den verschiedenen geschichtlichen Epochen ab.
Wie der IVlidrasch zu Kolielet ist auch der INIidrasch zum Hohenliede reich an geistvollen Deutungen und Anwendungen (vergl.
1, 2 ■':pd'', I, 3 mMby, 2, 14 ^rirT«, 4, 1 väba, 7, 1 ■'^rd) treffenden Vergleichen und Gleichnissen (s. i, 3 den Vergleich mit dem Oele,
2, 2 mit der Lilie und dem Apfel, 2, 14 mit der Taube, 4, 5 mit den Brüsten u. s. w.), schönen Erzählungen und Sagen, kernhaften Sprüchen und Sentenzen. Daneben fehlt es nicht an witzigen Ein- fällen und volksthümlichen Redensarten (von der Feige stammt wieder eine Feige vergl. Jalkut Samuel fol. 134; von den Dornen geht die Rose hervor vergl. Jalkut das.; wie der Ochs so der Schlächter; von dem, der geerbt, nicht aber von dem, der geplündert hat; der Mensch erzählt (vergangene) Betrübnisse erst dann, wenn er davon frei ist vergl. Midr. Koh. fol. 63 b), frappanten Wortspielen (z. B. I, 14 bD'^N = 12 b^n d"'N ein Mann, in dem alles ist). An meh- reren Stellen werden Deutungen durch Wortähnlichkeiten und Ver- setzung der Buchstaben versucht. Gelegentlich unterbrechen ein- gestreute Wort- und Sacherklärungen die haggadischen Deu- tungen. Auch über manches Lexikalische (s. zu i, 4 zehn Ausdrücke für Freude, zu 3, 4 zehn für Prophetie, zu 6, 4 sechs für Erde), Grammatische und Masorethische (s. zu 2, 5; 3, 4; 5, 2; 7, 5, wo es sich theils um die schwebenden Buchstaben : und r, theils um das oben mit Punkten versehene nnp"d"'T handelt, was scherzhaft dahin gedeutet wird: iDc:b NbN ip\r:b N3 Nbu; er (Esau) kam nicht, um ihn zu küssen, sondern um ihn zu beissen) empfangen wir Be- lehrung. Einzelne Wörter werden griechisch gedeutet, wie 2, 9: T"! = ölog. In 2, 15 stossen wir sogar auf einen ganzen griechi- schen Satz und zu 4, i wird das Wort nra?: aus dem Arabischen erklärt, indem man für das Hebräische: ''b m-)N im Arabischen ••b nrnw sage.*)
Weitere Belege zu dem Gesagten giebt Salfeld a. a. O. S. 171".
Einleitung. vn
Ursprünglich gliederte sich der Midrasch zum Hohenliede wohl in mehrere Abtheilungen, wenigstens scheint die vor 2, 8 angemerkte Ueberschrift: Nr'rn Nino zweite Ordnung darauf hinzudeuten.
Erwähnt sei auch, dass die Anschauungen der mittelalterlichen Symboliker vorzugsweise auf dem Midrasch zum Hohenliede fussen.
II. Die Quellen des Midrasch zum Hohenliede.
Nachdem das Hohelied als eine Allegorie zwischen Gott und der Gemeinde Israel aufgefasst und in Folge dessen dem Kanon einverleibt worden war, fing man an, es wie die übrigen Hagio- graphen in Öffentlichen Vorträgen auszulegen. Sowohl in den beiden Talmuden, wie im IMidr. Bereschit r., Wajikra r., der Pesikta des Rab Kahana, in Sifre, Sifra und in der Mechilta sind noch viele Bruchstücke solcher alter Vorträge über Texte des Hohenliedes erhalten. Salfeld (a. a. O. S. 5if.) verzeichnet alle Erklärungen und Deutungen über diejenigen Verse des Hagiographon, welche in Sifre, Sifra und der Mechilta vorkommen. Eine grosse Anzahl solcher Er- klärungen liegen der Composition des Midrasch zum Hohenliede zweifelsohne zu Grunde. Der Autor oder Redacteur unseres Mi- drasch stellte dieselben zum Zwecke einer fortlaufenden Auslegung aber nicht nur zusammen, sondern machte auch, um das Ferne nahe zu bringen und zu vereinen, hier und da Umänderungen und Einschaltungen. Es ist nicht alles nur Excerpt aus Talmud und alten Midraschwerken, was wir im Midrasch zum Hohenliede lesen, sondern wir merken noch zuweilen die Spuren der Thätigkeit der schaffenden Haggada selbst.
Dass es mehrere Midraschim zum Hohenliede gegeben habe, wie Dr. Jellinek in einer Nota über das Verhältniss von Schir ha- schirim rabba zur Pesikta des Rab Kahana an Dr. I. Theodor*) ausführt, nämlich einen Midrasch über den Auszug aus Aegypten (a"'"ii:'2 rii^Ji^j, einen über die Gesetzgebung (nmn "n';), einen im Sinne des Stiftszeltes [-\''V2 b~a) und einen auf den Tempel (p"rr;a) und aus diesen allen ein einziger und zwar der uns jetzt vorliegende componirt und im Laufe der Jahrhunderte durch verschiedene Zu- sätze vermehrt worden sei, will uns nicht einleuchten. Wir können schon aus dem Grunde der Ansicht dieses Gelehrten auf dem Ge- biete der Midraschliteratur nicht beitreten, weil die Auslegungen des ganzen Textes auf die erwähnten geschichtlichen Vorgänge und Thatsachen in unserem Midrasch nicht durchgeführt sind, sondern nur bei einzelnen Versen hervortreten. Und selbst wenn viele Be- standtheile jener Deutungen sollten verloren gegangen sein, so stellen sich der Hypothese Jellineks immer noch so viele andere
*) S. Grätz, Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Juden- thums, Jahrg. 28. S. 337 fiF.
Yjjl Einleitung.
Schwierigkeiten entgegen, dass sie sich schlechterdings nicht aufrecht erhalten lässt. Um vieles einfacher und natürlicher gestaltet sich die Sache, wenn wir annehmen, der Redacteur habe die zahlreichen in alten Quellen vca-handenen Auslegungen über einzelne Verse des Hohenliedes zum Zwecke einer zusammenhängenden Auslegung ver- wendet und mit Eigenem bereichert.
So urtheilt auch Dr. Theodor (s. Grätz, Monatsschrift a. a. O. S. 341 f.). „Der Autor des Cant. r. wollte", so lauten seine Worte, „einen fortlaufenden Midrasch zum Hohenliede zusammenstellen, und er nahm aus Quellen, die ihm zugänglich waren, oder mit denen er vertraut war, die Auslegungen für die einzelnen Verse, wo er diese Verse in irgend welcher Beziehung und in irgend welchem Zusammenhange angeführt und gedeutet auffand; daher die äussere deutliche Verschiedenheit in dem Umfange und dem Charakter der einzelnen Auslegungen ; bestimmt erkennbare Proömien, ganze Predigten mit vielen ^'a^iationen über Texte aus mehreren Versen, und kurze, abgerissene Wort- und Satzerklärungen; daher auch die Erscheinung, die in späteren Midraschim noch vielmehr hervortritt, dass zu gleichen oder ähnlichen Verstheilen dieselben Auslegungen zwei- oder dreimal sich wiederholen." Auf solche Wiederholungen stossen wir öfters im Midrasch zum Hohenliede. So kehren die Erörterungen zu i, 13 in 3, 6, die zu i, 16 in 4, i^ und mit passenden Abänderungen in 7, 7 und die zu 3, 6 in 8, 5 wieder. In 4, 13, 5, 7 und 8, 5 begegnet uns eine Boraitha mit der daran geknüpften Erklärung (wohl aus dem ersten Proöm des R. Jochanan über Jes. c. 22 in Echa r.). Die Auslegung des R. Jiz- chak zu I, 16 lesen wir auch in 4, i^, *)
Als besonders nachweisbare Quellen für den Midrasch zum Hohenliede verzeichnet schon Zunz (s. Die gottesdienstl. Vorträge der Juden S. 263) mit kritischem Seherblick nächst dem Bereschit rabba, dem jerusalemischen und babylonischen Talmud vornämlich Wajikra rabba und die Pesikta, so dass über diese Frage die Akten so gut als wie geschlossen betrachtet werden können. Nur die Entleh- nungen aus dem babylonischen Talmud dürften vielleicht zu bean- standen sein, da sie sehr unbedeutend sind und sich nur auf ein- zelne Aussprüche und grössere oder geringere Anklänge beziehen, welche sich aber auch in anderen Quellen vorfinden, und der Re- dacteur sie ebensogut aus diesen excerpirt haben kann. Theodor giebt in seiner vortrefflichen Abhandlung: Zur Composition der aga- dischen Homilien (s. a. a. O. S. 346 f.) eine dankenswerthe Zusam- menstellung der betreffenden Stellen, welche mit dem babylonischen Talmud entweder übereinstimmen oder an ihn anklingen, welche wir hier folgen lassen. Es sind besonders Schabb. fol. 88 1> u. Midr. zum HL, zu I, 14 (•'V "'tit "'V "i7:ts ■'? "i^'^o nrNC nrds und in Vanc uj"'N r\''y^r\ n: bsuiN s. Schabb. das. ibz' Vrr;*>D "t:;
*) Vcrgl. Beispiele bei Theodor a. a. O.
Einleitung. IX
zu der anderen Deutung 'noi nyc'ü N"ip?2 in birn^D d^N vergl. Sota fol. 47b); Erub. fol. 21a und Midr. zum HL. zu 7, 14 (CNninn), 7, 12 (^m nsb), I, I (die Deutunii: über Koh. 12, 9 und besonders das Gleichniss '"Ol nVn:. rrDipV); Erub. fol. iga und Midr. zum HL. zu 4, I — 6 das sich daselbst wiederholende ^rpl ■I7;"ir: nbcD '■'DT "pTD^D ni-nn Nir: qix-i ";nd "p"'"!^; Taan. fol. 4^ und Midr. zum HL. zu 8, 6 piriD iVntü wsbi rt'npn ^:3b72 bN'nb'' nb^'d D"im ':'>!5 'hdt; Keth. fol. in» und Midr. zum HL. zu 2, 7 ui"« mrinui i'niN '■)2T bM-ib"'b yn'cn ind; Sanh. fol. 94b und Midr. zum HL. i, 3 'iDT a-innr^ b'«25 "ibiy bnnn; Berach. fol. 5^» und Midr. zum HL. zu 2, 16 (die Erzählung von no^\-is i:nT' '1); Schabb. fol. 88^ und Midr. zum HL. zu 8, 5 (der Ausspruch: nbpbp7:d nb:^ nt; nmbr nnsin "^inn). Selbst das grössere Stück nach der letzten Auslegung zu 2, 10 — 13 über die Vorzeichen, welche der Ankunft des David- sohnes vorangehen sollen, weicht vielfach von^der Darstellung in Sanh. fol. 97a ab und stimmt mehr mit der Pesikta Piska TUnnn (s. Buber S. 47 a — 51b) überein.
Aus alledem geht hervor, dass die Annahme, der Redacteur habe aus dem babylonischen Talmud wenig oder nichts geschöpft, grosse Berechtigung hat. Sehr richtig bemerkt Theodor (a. a. O. S. 343): „Im qO"!"* ~i^ wird zwar sehr oft auf den babylonischen Talmud verwiesen, aber die betreffenden Stellen bieten alle nichts mehr als geringere oder grössere Anklänge, und wenn auch meh- rere Deutungen im Cant. r. und im babylonischen Talmud sachlich übereinstimmen, so erklärt es der alte Ursprung so vieler Aus- legungen, dass im babylonischen Talmud sich die Gedanken finden, welche den viel späteren und sehr verschiedenen, doch sicherlich palästinischen Quellen entstammenden Ausführungen im Cant. r. zu Grunde liegen. Sollte auch einzelnes auf den babylonischen Talmud zurückzuführen sein, so ist es gewiss nicht unmittelbar aus dem- selben in Cant. r. geflossen."
Um so schlagender lassen sich dagegen zahlreiche Entlehnungen aus dem jerusalemischen Talmud, aus Midr. Bereschit r., Wajikra r. und der Pesikta des Rab Kahana nachweisen, ja ihr Umfang beträgt mehr als den vierten Theil des Umfanges unseres Midrasch, wie er in den Textausgaben uns vorliegt. Welche Stücke aus den oben bezeichneten Quellen nun speciell in den Midrasch zum Hohen- liede übergegangen sind, hat Theodor gleichfalls in seiner Abhandlung: (a. a. O. S. 344 ff.) schlagend nachgewiesen. Wir lassen auch diese von ihm aufgeführten Entlehnungen in Kürze hier folgen:
i) Aus dem jerusalemischen Talmud:
zu I, I s. j. Schabb. I, 3c, zu I, 2 s. j. Aboda sara II, 41 S
zu I, 3 (7, i) s. j. Mag. II, 73b; j. Moed. katan HL 83b, zu I, 6 s. j. Succa V, 55c; j. Aboda sara I, 39c (mit Einschaltungen vergl. Sifre Deut. Piska 52); j. Erubin III, 21c,
^ Einleitung.
zu I, 9 s. j. Sanh. I, iS^^,
zu I, II s. j. Schek. VI, 49 J,
zu I, 12 s. j. Pesiich. IV, 30^,
zu 3, 6 s. j. Joma III, 41^', j> Schek. V, 48 J,
zu 3, 7. 8 s. j. Schek. IV, 48 a,
zu 3, 10 s. j. Joma IV, 4:^,
zu 3, II s. j. Rosch haschana II, 58 a,
zu 4, ib — 4 s. das. IV, 59c; j. Joma VII, 44 '^ (vcrgl. I\Iidr. Wa- jikra r. Par. 10); j. Berach. IV, S^c,
zu 4, 8 s. j. Succa IV, 54c; j. Chall. IV, 60 a,
zu 4, 13 s. j. Schek. IV, 50 a,
zu 4, 16 s. j. Meg. II, 72b vergl. Midr. Beresch. r. Par. 22 und 34 und Wajikra r. Par. 9,
zu 5, II s. j. Sanh. II, 20^; j. Schek. VI, 49 J (vergl. Midr. Wa- jikra r. Par. 19), '
zu 5, 14 s. j. Schek. VI, 49 d,
zu 5, 16 s. j. Pea I, 16 b,
zu 6, 9 s. j. Berach. I, 2^:,
zu 6, 10 s. das.,
zu 7, 2 s. j. Pea III, 17 fl,
zu 7, 5 s. j. Beräch. IX, 13 '\
zu 7, II s. das. II, 4 b,
zu 8, 9 s. j. Taan. II, 65 a,
zu 8, 14 s. das. I, 63 d.
2) Aus dem Midrasch Bereschit r.:
I im ersten Proöm. s. Ben r. Par. 87, 3 s. Ber. r. Par. 3g,
14 b s. Ber. r. Par. 44,
15 (und 4, i) aus Ber, r. Par. 33 (vergl. Wajikra r. Par. 31), 17 s. Ber. r. Par. 68, 14 s. Ber. r. Par. 45,
16 s. Ber. r. Par. 32 u. 34,
6 mit vielfachen Umstellungen aus Ber. r. Par. 77, 6 s. Ber. r. Par. 47,
II s. Ber. r. Par. 65 vergl. Par. 67, 5 s. Ber. r. Par. 78, II s. Ber. r. Par. 20, 14 s. Ber. r. Par. 72, 8 — 10 s. Ber. r. Par. 39, II s. wahrscheinlich Ber. r. Par. 85 Ende.
3) Sehr wichtige und umfangreiche Entlehnungen sind aus der Pesikta geflossen und zwar
zu I, 4 vergl. Piska 22 (Buber S. 147^1,
zu 2, 3 und 2, 5 vergl. Piska 12 (B. S. 103b und loob) und Piska 28 (B. S. 179 a),
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8, |
Einleitung. XI
ZU 2, 7 vergl. Piska lO (B. S. 87 a),
zu 2, 8 ff. vergl. Piska 5 (B. S. 47-^ ff.),
zu 3, I vergl. Piska i (B. S. 2 b — 5b)^
zu 3, 4 vergl. Piska 2 (B. S. 14 a),
zu 4, II vergl. Piska 10 (B. S. 92 a),
zu 4, 12 vergl. Piska 10 (B. S. 82 a — 84 a),
zu 5, I vergl. Piska i (B. S. i a f.),
zu 5, 14 vergl. Piska 18 (B. S. 135^) und Piska 10 (B. S. 90'^),
zu 5, 16 vergl. Piska 9 (B. S. 76 b),
zu 6, 3 vergl. Piska i (B. S. 7 a — loa),
zu 7, 2 vergl. Piska 30 (B. S. 193 a),
zu 7, 5 vergl. Piska 20 Schluss (B. S. 143 a f.),
zu 8, I vergl. wohl Piska 16 (B. S. 126 a),
zu 8, 7 vergl. Piska 28 (B. S. 178b).
4) In Bezug auf die Entlehnungen aus Midrasch Wajikra r. ist zu vergleichen
I, 7. 8 mit Wajikra r. Par. 11,
1, 10 mit Wajikra r. Par. 16,
2, 2 mit Wajikra r. Par. 23, 2, 3 mit Wajikra r. Par. i,
2, 14 mit Wajikra r. Par. ;^;^,
4, I — 4 mit Wajikra r. Par. 32,
5, I mit Wajikra r. Par. 8,
5, II (erstes Proöm) mit Wajikra r. Par. 19, 5, 15 mit Wajikra 25 Ende, 7, 5 mit Wajikra r. Par i,
7, 16 die Schlussformel der Proömien mit Wajikra r, Par. 31,
8, 6 mit Wajikra r. Par. 18 und 10.
Was endlich das Verhältniss des Midrasch zum Hohenliede zu anderen alten IMidraschwerken, wie Seder Olam, Sifre, Sifra und Mechilta und Tanchuma (Jelamdenu), sowie zur Mischna und To- sephta anlangt, so hat auch dieses Theodor in seiner Abhandlung (a. a. O. S. 347, Nota 11 — 16) erörtert, weshalb wir uns einfach mit diesem Hinweise begnügen.
Hinsichtlich der Zeit der Redaction des Midrasch zum Hohen- liede ist mit Zunz (a. a. O. S. 263 f.) zu bemerken, dass derselbe höchst wahrscheinlich zu den jüngeren Haggadas gehört. Nach Salfeld (a. a. O. S. 15) erfolgte die Redaction erst in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts.
Wenn die gegenwärtige Gestalt des Midrasch zum Plohenliede wesentliche Abweichungen von einer Münchner Handschrift aufzeigt (nach Chodowsky, Observationes criticae in Schir ha-Schirivi fehlen beispielsweise in derselben die Stücke zu 3, 6 und 4, i — 5), so fallen diese wahrscheinlich der Nachlässigkeit des Abschreibers zur Last. Nach verschiedenen Merkmalen zu urtheilen, scheint überhaupt der
XII Einleitung.
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Münchner Handschrift kein grosser kritischer Werth beigemessen werden zu dürfen.
Betreffs der vielfachen Textcorruptionen und der Sinndeutung dunkler Stellen leistet sowohl das Neuhebräische und Chaldäische Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim von I. Levy, wie der Aruch von A. Kohut auch für den Midrasch zum Hohenliede höchst Beachtenswerthes. Unsre Uebersetzung ist durch diese Werke wesentlich gefördert worden, weshalb wir beiden Herrn V^erfassern hiermit unsern besten Dank aussprechen.
MIDRASCH SCHIR HASCHIRIM.I
Cap. I.
V. I. Das Lied der Lieder (ü"'~''\ari T"'©). Das sagt auch die Schrift durch Salorno Prov. 22, 2g: „Du hast wohl einen Mann gesehen, der schnell (gewandt, geschickt) in seinem Geschäft ist, dass er sich vor Könige stellte, vor Niedrige (Finsterlinge, DOdn) abf^r stellte er sich nicht". So ein schneller (gewandter) Mann in seinem Geschäfte war Joseph s. Gen. 39, 11. R. Jehuda sagte: Es war der Schand- (Ehren-) und Opfertag des Nils, denn es war ein Tag des Schauspiels. R. Nechemja sagte: Es war ein Tag des Schauspiels des Nils und alle gingen, um es mitanzusehen, Joseph aber ging in das Haus, um seine Arbeit zu verrichten**) und die Rechnungen seines Herrn nachzurechnen. Daher sagte R. Pinchas im Namen des R. Samuel bar Abba: Wer seinen Herrn nach Gebühr bedient, erlangt endlich die Freiheit. Woher können wir das lernen? Von Jo 1. Dadurch, dass er seinen Herrn nach Gebühr bediente, ge- langte er zur Freiheit. Darum stellte er sich auch vor Pharao s. Gen. II, 14, ,, nicht stellte er sich vor Niedrige" d. i. vor Potiphar***), dessen Augen Gott blendete und ihn entmannte,
Oder „der schnelle Mann" ist unser Lehrer I\Iose, welcher sich als solcher beim Bau des Stiftszeltes bewies. Darum konnte er auch vor Könige d. i. vor Pharao sich stellen s. Ex. 8, 16, während er vor Niedrige d. i. vor Jethro sich nicht stellte.
Aber auf diese Weise, wandte R. Nechemja ein, machst du das Heilige profan und das Profane heilig. Nein, unter „den Kö- nigen" ist der König aller Könige, Gott, zu verstehen, mit wel- chem Mose einen vertraulichen Umgang hatte s. Ex. 24, 18, jedoch vor ,, Niedrige" (Finsterlinge), zu welchen Pharao gehörte, bestand er nicht.
*) Wegen dieses Salomonischen Spruches, der mit dem Worte r^'H du hast gesehen, beginnt, wird dieser Midrasch auch Midrasch Chasitha genannt.
**) Vergl. Midr. Beresch. r. Par. 87. ***) S. Midr. Beresch. r. Par. 26. Wünsche, Midrasch Schir Haschirim. I
2 Cap. I, I.
Oder der „schnelle Mann" stellt die Frommen dar, welche sich mit dem Werke Gottes beschäftigen, so dass sie mit der Thora zu Königen im Rathe sich gesellen können s. Prov. 8, 15, aber „vor Niedrige" (Finsterlinge) d. i. vor die Ruchlosen s. Jes. 2g, 15 und Ps. 35, 6 stellen sie sich nicht.
Oder unter dem „schnellen Mann" ist R. Chanina zu verstehen, der, wie die Sage geht, einmal die Bewohner seiner Stadt nach Je- rusalem mit Brand- und Friedensopfern hinaufziehen sah. Alle ziehen mit Friedensopfern nach Jerusalem hinauf, sprach er, nur ich bringe nichts hinauf. Was soll ich thun? Er ging in eine Einöde hinaus zu einer Ruine seiner Stadt, wo er einen Stein fand. Diesen be- haute und meisselte er, strich ihn an (glättete ihn) und sprach: Es liegt mir ob, ihn hinauf nach Jerusalem zu bringen. Er suchte sich Arbeiter zu dingen. Er fragte sie: Wollt ihr wohl diesen Stein nach Jerusalem schaffen? Sie sprachen: Wenn du als Lohn uns liundert Goldstücke giebst, so wollen wir ihn dir hinaufschaffen. Woher soll ich hundert Goldstücke oder auch nur fünfzig nehmen, um sie euch zu geben? Er fand in diesem Augenblicke gar nichts bei sich und die Leute gingen ihres Wegs. Allein Gott sandte ihm fünf Engel in Menschengestalt, welche zu ihm sprachen: Rabbi, gieb uns fünf Selaim, so bringen wir deinen Stein nach Jerusalem, jedoch nur, wenn du mit Hand anlegst. Er legte mit Hand an und sie fanden sich stehend in Jerusalem. Als er ihnen ihren Lohn be- zahlen wollte, fand er sie nicht. Es kam der Vorfall in der Quader- halle zur Sprache. Es scheint, sprachen die Weisen, dass Dienst- engel unserem Herrn diesen Stein nach Jerusalem heraufgebracht haben. Er gab den W' eisen den Lohn, für den er die Boten ge- dungen hatte.
Oder unter dem „gewandten Mann" ist Salomo, der Sohn Da- vids, zu verstehen, der als solcher sich beim Tempelbau bewies. Wenn dieser auch nur einen Zeitraum von sieben Jahren (s. Reg. 6, 38), der Bau seines Hauses dagegen dreizehn Jahre in Anspruch nahm (s. das. 7. i), sollte sich daraus etwa schliessen lassen, dass der Palast Salomos schöner und grösser war als der Tempel? Nein, sondern der Bau von diesem wurde nachlässiger betrieben, als der Bau von jenem, in welchem er rüstig und nicht nachlässig war. Rab Huna sagte: Alle stehen einem König bei, um wie vielmehr, wo es die Ehre des Königs aller Könige gilt, ihm stehen Geister, Dämonen und sogar die Dienstengel bei. Jizchak bar R. Jehuda bar Ezechiel sagte: Es heisst i Reg. 8, 13: Gebaut habe ich ein Haus dir zur Wohnung d. i. ein Gebäude habe ich gebaut. R. Berachja sagt: Es heisst nicht: das Haus, welches sie bauten (iTi "idN rT"an a"':i3), sondern: das Haus in seinem Erbauen (ir":nn3 n'nm) d. i. der Tempel erbaute sich von selbst s. i Reg. 6, 7, wo es nicht heisst: ^1:3, sondern n:n:, woraus zu lernen ist, dass der Stein sich selbst erhob und an die Baustelle sich begab. Wundre dich nicht darüber, sagte Rab, denn der Stein, den Darius auf die Löwengrube, in
Cap. I, I, 3
welche Daniel gethan worden war, legen liess s. Dan. 6, i8, kann nicht von Babylon gewesen sein, weil sich dort keine Steine finden, sondern er ist vom Lande Israel dahin geflogen und liess sich auf die Oeffnung der Grube nieder. Nach R. Huna im Namen des R. Joseph kam ein Engel in Gestalt eines steinernen Löwen herab und setzte sich auf die Oeffnung der Grube s. das. 6, 22,. Wenn nun schon zur Ehre dieses Frommen ein solches Wunder geschah, um wieviel mehr zur Ehre Gottes, welcher der Tempel dienen sollte. Dieser „schnelle Mann" hätte sich also vor die Könige der Gottes- lehre (Thora), nicht aber vor die „Niedrigen" d, i. vor die Gesell- schaft der Ruchlosen stellen können. Als sie (die grosse Synagoge) den Beschluss fasste, bemerkte R. Josua ben Levi, drei Könige und vier Idioten sollten keinen Theil an der zukünftigen Welt haben, wollten sie Salomo zu den letzteren gezählt wissen, allein eine Him- melsstimme liess die Worte vernehmen Ps. 105, 15: „Rührt meine Gesalbten nicht an". Salomo wurde sogar, sagte R. Jehuda bar Simon, als das Haupt der Adelskette angesehen s. i Reg. 14, 21. R. Judan bar Simon sagte: Und nicht nur das, sondern der heilige Geist liess sich sogar auf ihn nieder, dass er die drei Bücher, die Sprüche, das Hohelied und den Prediger verfasste, wie geschrieben ist Ps. 45, 17: ,,An Stelle deiner Väter sollen deine Kinder sein".
Du findest nämlich, dass ein Gerechter einen Gerechten, ein Ruchloser einen Ruchlosen, ein Gerechter einen Ruchlosen und ein Ruchloser einen Gerechten zeugen kann. Allen diesen Sätzen steht eine Schriftstelle, ein Sprichwort (Gleichniss) und eine Redensart zur Seite. Dem ersten Satze steht zur Seite die Schriftstelle Ps. 45, 17 und das Sprichwort: Der Feigenbaum liefert Feigen; dem zweiten die Schriftstelle Num. t,2, 14, der Spruch i Sam. 24, 14: „Vom Bösen kommt Böses" und das Sprichwort: Was gebiert der schwarze Käfer? Beissende Thiere, die noch weit schlimmer sind als er*); dem dritten die Schriftstelle Hi. 31, 40, das Sprichwort: Die Unähnlichen zeugen (ziehen) nicht Gleichgeartete und ziehen Junge gross, die ihnen nicht gleichen; dem vierten endlich die Schriftstelle Jes. 35, 13 und das Sprichwort: Aus den Dornen geht die Rose hervor.**) Aber Sa- lomo war König und der Sohn eines Königs, ein Weiser und der Sohn eines Weisen, ein Gerechter und der Sohn eines Gerechten, ein Edler (ecyevrjg) und der Sohn eines Edlen***). Du findest, alles, was von diesem die Schrift sagt, lässt sich auf jenen anwenden. Der König David regierte vierzig Jahre, ebenso Salomo; David re- gierte über Israel und Jehuda, ebenso sein Sohn Salomo, David legte den Grund zum Tempel und Salomo baute die oberen Theile, sein Vater regierte von einem Ende der Welt bis zum andern, ebenso Salomo, David schrieb Bücher, auch Salomo schrieb Bücher,
*) Vergl. Levyäohn, Zoologie des Talmud. S. 306. **) Vergl. Delitzsch, Kommentar zum H. L. Einl. S. 40. ***) Vergl. Midr. Koh. Anf.
1 Cap. I, 1.
David sang Lieder, auch Salomo sang Lieder, David klagte über die Eitelkeiten der Welt, ebenso Salomo, David verfasste Reden, ebenso Salomo, David verfasste Gleichnisse, ebenso Salomo, David pries mit dem Worte tn, ebenso Salomo, David baute einen Altar, ebenso Salomo, David brachte Opfer dar, ebenso Salomo, David führte die Bundeslade hinauf nach Jerusalem, ebenso Salomo. Der König David regierte vierzig Jahre, eben so lange regierte auch sein Sohn Salomo s. i Reg. 2, 11 vergl. 2 Chron. 9, 30; David regierte über Israel und Jehuda, ebenso sein Sohn Salomo s. i Chron. 28, 4 vergl. I Reg. 4, 20; David legte den Grund (zum Tempel) und Sa- lomo führte ihn aus (eig. er erbaute die oberen Theile) s. i Chron. 28, 2 vergl. I Reg. 8, 13; David verfasste Reden und auch Salomo verfasste solche s. 2 Sam. 2;^, i vergl. Koh. i, i; David klagte über Eitelkeiten der Welt, ebenso Salomo s. Ps. 39, 6 vergl. Koh. i 2, wie David, so redete auch Salomo in Gleichnissen s. i Sam. 24 14 vergl. Prov. i, i; David schrieb die Bücher der Psalmen, welche seinen Namen tragen und Salomo schrieb die Sprüche, den Prediger und das Hohelied; wie David so pries auch Salomo in einem mit dem Worte tn beginnenden Lobgesang s. Ps. 126, 2 vergl. i Reg. 8, 12; David führte die Bundeslade hinauf nach Jerusalem, ebenso auch Salomo s. i Chron. 15, 25 vergl. 1 Reg. 8, i; David sang Lie- der, ebenso Salomo s. 2 Sam. 22, 1 vergl. Canl. i, i.
Wenn du einmal solche Vergleichungen anstellst, sagte R. Si- mon im Namen des R. Jonathan von Beth Gobrin im Namen des R. Josua ben Levi, so kannst du solche noch weiter führen. Wie seinem Vater alle Sünden vergeben sind s. 2 Sam. 12, 13, so auch dem Salomo, und nicht nur das, es Hess sich sogar der heilige Geist auf ihn nieder, dass er drei Bücher, die Sprüche, den Prediger und das Hohelied verfasste.
Oder: Lied der Lieder. Das sagt auch die Schrift Prov. 16, 2^: „Des Weisen Herz macht seinen IMund beredt und auf seinen Lippen mehrt es Lehre" d. i. das Herz des Weisen ist voll Weisheit und wer macht die Weisheit kund? Sein ]\Iund, und dadurch, dass er die Worte der Thora aus seinem Herzen hervorbringt, verbreitet und vermehrt er die Lehre (Unterweisung) der Thora, Es verhält sich damit wie mit einem Fasse, welches voll Edelsteine und Perlen ist und verschlossen und in einen Winkel geworfen liegt und nie- mand seinen Inhalt kennt. Da kommt aber ein Mensch, holt es hervor und leert es aus, und nun erkennen alle, was darin ist. So war auch Salomos Herz voll von Weisheit, aber niemand wusste es. Als aber der heilige Geist auf ihm ruhte, und er die drei Bücher abfasste, da erkannten alle seine Weisheit. „Und auf seinen Lippen mehrt er die Lehre" d. i. er vermehrte die Lehre über die Worte der Thora s. Koh. i, 13, wo der Sinn ist: ich machte den Späher i"i"'"'n) in der Weisheit vergl. wegen des Wortes ""irVi Num. 13, 2. Wenn jemand da ist, der die Schrift gut vorträgt, so wollen wir zu ihm gehen; wenn jemand die Mischna gut vorträgt, so wollen wir eben-
Cap. I, I. «5
falls zu ihm gehen. Oder das Wort "nn^T bedeutet soviel wie ^'ninbi einen Ueberschuss machen. Wenn ein Dichter (n:::'"S Poet) Verse nach dem Alphabet (Akrosticha) abfasst, so macht er das Gedicht zuweilen vollständig, zuweilen lässt er es unvollständig, allein Salomo hat sogar noch fünf Verse mehr gemacht s. i Reg. 5, 12. Lies nicht "ii'^d sein Lied, sondern 1")T""«IJ seine Zugaben. Und nicht nur in der Thora, sondern in allern, was unter der Sonne geschieht, war er ein Späher (Beobachter, Forscher). Er untersuchte beispiels- weise wie Senf und Feigbohnen süss gemacht werden können. Du hast dich, sprach Gott zu ihm, um die Worte der Thora abgemüht, bei deinem Leben! ich werde dir deinen Lohn nicht vorenthalten, siehe, ich werde den heiligen Geist auf dir ruhen lassen — und so- fort geschah dies und er verfasste die drei Bücher, die Sprüche, den Prediger und das hohe Lied.
„Das Lied der Lieder" konnte nur denjenigen zum Ver- fasser haben, von dem die Schrift Koh. 12, 9 sagt: „Dazu kommt noch, dass Kohelet der Prediger ein Weiser war", denn wenn ein anderer Mensch diese Lehren vorgetragen hätte, so müsstest du deine Ohren beugen und sie beherzigen (auf sie horchen), „um so mehr (nn"*!)", da sie Salomo vorgetragen hat; wenn er sie aus eignem Wissen gelehrt hätte, so müsstest du deine Ohren beugen und sie beherzigen (auf sie horchen), ,,um so mehr", da er sie vermöge der Inspiration des heiligen Geistes gelehrt hat, weil Kohelet ein sehr begabter Weiser war, „welcher das Volk belehrte, prüfte und er- forschte und viele Sprüche stellte" d. i. er prüfte und erforschte die Worte der Thora und machte Ohren für die Thora, denn du findest, dass vor Salomo Beispiele und Vergleichungen nicht angewendet sind. Gleich einem hohen Palaste, bemerkte Rab Nachman, welcher viele Eingänge hatte, wer hineinging, verirrte sich; da kam aber ein Kluger, nahm einen Knäuel, hing ihn an die Thür, und nun konnten alle daran hinein- und wieder herausgehen. Ebenso konnte vor Salomo niemand die Worte der Thora erfassen, als er aber auf- trat, wurden sie allen verständlich.
Rab Nachman führte noch ein anderes Beispiel an. Es war ein Wald voll mit Rohrgebüsch, in das kein Mensch hineingehen konnte, da kam ein Kluger mit einer Sichel und schnitt die Rohre ab, und nun konnten alle Leute auf dem gebahnten Wege hinein- und herausgehen. Auf dieselbe Weise verfuhr auch Salomo.*)
R. Jose gebrauchte dieses Beispiel. Gleich einer grossen Kiste, welche voll mit Früchten war, aber keinen Henkel hatte und in Folge dessen nicht fortbewegt werden konnte, da kam ein Kluger und brachte an sie Henkel an und bewegte sie von der Stelle. So auch, bevor Salomo aufstand, da begriff niemand die Worte der Thora, nachher aber (als er aufgetreten war), fingen alle an die Worte der Thora zu begreifen.
*) Salomo bahnte durch seine Weisheitssprüche und Gleichnisse den. Weg zur Gesetzlehre an.
6 Cap. I, I.
R. Schila stellte diesen Vergleich an. Ein grosser Pokal voll heissen Wassers konnte, da er mit keinem Henkel versehen war, nicht eher von der Stelle bewegt werden, als bis einer kam und einen Henkel anbrachte.
R. Chanina verglich Salomo mit einem tiefen Brunnen voll frischen, süssen und wohlschmeckenden Wassers, aus dem aber nie- mand trinken konnte, da kam einer und band Seile und Stricke an- einander, Hess einen Eimer hinab und trank, nun Hessen Alle Eimer hinab und tranken. So hat auch Salomo von Gleichniss zu Gleich- niss das Geheimniss der Thora klar zu machen gesucht s. Prov. i, i, welche Stelle sagen will, dass durch die Gleichnisse Salomos die Worte der Thora fassHch wurden. Daher sagten die Rabbinen, das Gleichniss sei nicht gering in deinen Augen, denn durch dasselbe werden dem Menschen die Worte der Thora fasslich. Wie ein König sein verlornes Goldstück oder seine kostbare Perle mittelst eines Dochtes (Lichtes), der ungefähr einen I-ar werth war, in seinem Hause wiederfand, ebenso erscheine das Gleichniss in deinen Augen nicht gering, denn dadurch machte Salomo die Worte der Thora fasslich. Du kannst es daraus entnehmen, dass es sich so verhält, dass Salomo durch das Gleichniss das feine Verständniss der Thora erschloss. R. Judan sagte: Um dir zu lehren: wer die Worte der Thora öffentlich vorträgt, auf den ruht der heilige Geist. Von wem kannst du das lernen? Von Salomo, welcher dadurch, dass er die Worte der Thora öffentlich vortrug, so glücklich war, dass der hei- lige Geist auf ihm ruhte, und er die drei Bücher, die Sprüche, den Prediger und das Hohelied verfasste.
R. Pinchas ben Jair begann anknüpfend an Prov. 2, 4: Wenn du den Worten der Thora nachforschst wie nach Schätzen, so wird Gott dir den Lohn nicht vorenthalten. Wenn ein Mensch beispiels- weise einen Sela oder sonst ein Werthstück in seinem Hause ver- loren hat, so zündet er Lichter und Dochte an, bis er das Ge- suchte findet. Wenn nun schon in Bezug auf das, was eigentlich nur einen augenblicklichen Genuss gewährt (eig. das Leben einer Stunde dieser Welt bietet), der Mensch viele Lichter und Dochte anzündet, bis er es gefunden hat, um wie viel mehr solltest du nach den Worten der Thora, die dir das Leben dieser und jener Welt verheisst, wie nach Schätzen graben!
R. Eleasar sagte: Nie kam ein Mensch mir im Lehrhause zu- vor und ich Hess auch bei meinem Weggange keinen dort zurück. Einmal ging ich früh dahin und traf Leute, welche Dünger und Stroh nach den Feldern führten, da fielen mir die Worte Prov. 2, 4. 5 ein. Wir, die wir nicht Dünger und Stroh auf die Felder schaffen,, sprach ich zu mir, sollten uns nicht einer geistigen Thätigkeit hin- geben? Daher wurde gelehrt: R. Pinchas ben Jair hat gesagt r Hurtigkeit (Achtsamkeit) führt zur Unschuld s. Lev. 16, 20, Unschuld zur (Sitten-)Reinheit s. das. 12, 7, (Sitten-)Reinheit zur Heiligung s. das. 16, 19, Heiligung zur Demuth s. Jes. 57, 15, Demuth zur Sündenscheu
Cap. I, I. y
s. Prov. 22, 4. Sündenscheu zur Frömmigkeit s. Ps. 89, 20, Frömmig- keit zum heiligen Geist s. das., der heiHge Geist zur Todtenauf- erstehung s. Ezech. 36, 14, die Todtenauferstehung zu Elia dem Propheten, dessen Andenken in Segen sei s. Mal. 3, 23.
R. Mathna sagte: Was die Weisheit zum Hauptschmuck macht s. Ps. III, 10, macht die Bescheidenheit zur Sandale für die Ferse s. Prov. 22, 4.
R. Simon verglich im Namen des R. Simeon ben Chalaphtha den Salomo mit einem Rathsherrn (Senator), welcher im Hause des Königs in grossem Ansehn stand. Einmal sprach der König zu ihm: Verlange, was ich dir geben soll! Verlange ich, dachte der Günstling, Silber und Gold, er giebt sie mir, oder Edelsteine und Perlen, er giebt sie mir; ich will um seine Tochter werben, mit welcher ich alles in allem erlange. Ebenso sprach Gott zu Salomo I Reg. 3, 5: Verlange, was ich dir geben soll! Da dachte Salomo: Wenn ich Silber und Gold, Edelsteine und Perlen verlange, er giebt sie mir, ich bitte um die Weisheit, dann habe ich alles in allem s. das. V. g. Du erbittest dir die Weisheit, antwortete Gott, und nicht Reichthum, irdische Güter und das Leben deiner Feinde, bei deinem Leben! ich lasse dir mit jener auch diese zu Theil wer- den s. das. V. II. Und Salomo erwachte und siehe, es war ein Traum. Es war ein Traum, wie R. Jizchak bemerkte, der auf seiner Basis (seinem Grunde) steht. Brüllte der Esel, so wusste er, was er brüllte, zwitscherte der Vogel, so wusste er, was er zwitscherte. Er begab sich nach Jerusalem, stellte sich vor die Bundeslade, brachte Brand- und Friedensopfer dar und machte ein Gastmahl für seine Dienerschaft s. das. V. 15. Daher ist, wie R. Eleasar meint, die Sitte entstanden, dass, wenn man die Thora durchgelesen hat, man ein Gastmahl veranstaltet. R. Judan sagt: Um dir zu lehren, dass derjenige, welcher die Thora öffentlich vorträgt, würdig ist, dass der heilige Geist sich auf ihn niederlasse; denn als Salomo die Thora lehrte, Hess sich der heilige Geist auf ihn nieder und er ver- fasste die drei Bücher, die Sprüche, den Prediger und das Hohelied.
Ueber die Bedeutung der Benennung D'^"i"'^M ^"'IIJ ist die Mei- nung getheilt. R. Ibo sagte: ^"»^ ist ein Lied und D'T'iIJr! sind zwei Lieder, folglich sind es drei Lieder. R. Jehuda bar Simon sagt: Beide Ausdrücke bezeichnen nur ein Lied (d. i. sie sind der Titel nur eines Liedes). Was machst du denn mit den beiden andern, nämlich mit Ps. 127 und Ps. 30? Der letzte Psalm wird zwar der Ueberschrift nach dem David beigelegt, hat aber den Salomo zum Verfasser, wie es sich auch mit dem Vers Gant. 4, 4 verhält. Wenn du alle Werke dieses Mannes betrachtest, so erstieg er drei Stufen: auf der ersten herrschte er über die ganze Seite des Stromes s. i Reg. 5, 4, auf der zweiten herrschte er über alle Königreiche vom Strome des Philisterlandes bis an die ägyptische Grenze s. das. 5, i, auf der dritten kam er auf den Thron Gottes als König zu sitzen s. I Chron. 9, 8. Ist denn das dem Menschen möglich? fragte
8 Cap. I, I.
R. Jizchak, Gott ist doch, wie es in der Schrift Deut. 4, 24 vergl. Dan. 4, 10 heisst, ein zehrendes Feuer, und du sagst, Salomo nahm diesen Thron ein? Es soll damit gesagt sein, dass Salomo wie Gott von einem Ende der Welt bis zum andern regierte und dass er ebenso ohne Zeugenverhör und vorausgehende Warnung Recht sprach. In welchem Falle? Als die zwei Buhlerinnen vor ihm erschienen s. I Reg. 3, 16. Wer waren sie? Rab sagte: Es waren Geister, die Rabbinen sagten: Sie waren verschwägert, R. Simon sagte im Namen des R. Josua ben Levi: Sie waren wirkliche Buhlerinnen und er entschied ohne Zeugenverhör und vorherige Warnung. Er erfuhr aber auch den Verfall seiner Herrschaft in drei Abstufungen. Nach- dem er ein grosser König über ein Reich gewesen, welches von einem Ende der Welt bis zum andern sich erstreckte, verminderte sich seine Herrschaft und er war nur noch König über Israel s. Prov. I, I, seine Herrschaft verminderte sich weiter und er war nur noch König über Jerusalem s. Koh. i, 12 und zuletzt verminderte sich seine Herrschaft so weit, dass er nur noch König über sein Hau? war s. Cant. 3, 7. 8, woraus hervorgeht, dass er nicht einmal über sein Bett zu gebieten hatte (eig. König war), da er vor den Geistern sich fürchtete.
Salomo sah auch drei Welten d. i. er erfuhr drei Wandlungen. Nach R. Judan war er König, ein gemeiner Mann (Idiot), und wieder König, dann ein Weiser, ein Narr und wieder ein Weiser, zuletzt ein Reicher, ein Armer und wieder ein Reicher, weil er sagt Koh. 7, 15: „Ich habe alles in den Tagen meiner Nichtigkeit erfahren", indem der Mensch von seiner ausgestandenen Noth erst in der Stunde seiner Erholung (Erleichterung) zu erzählen pflegt.
Nach R. Hunja war Salomo ein Gemeiner, König und wieder ein Gemeiner, dann ein Narr, ein Weiser und wieder ein Narr, end- lich ein Armer, ein Reicher und wieder ein Armer, weil er sagt : ,.Ich, Kohelet, war König über Israel", aber jetzt bin ich es nicht mehr. Drei Sünden beging Salomo: i) er hielt sich sehr viele Pferde, 2) er hielt sich viele Weiber und 3) häufte er Silber und Gold s. I Reg. 10, 27. Wurde denn das Silber nicht gestohlen? R. Jose bar Chanina sagte: Es waren Stücke von zehn, acht Ellen Grösse? Sogar die Gewichte, lehrte R. Simeon ben Jochai, waren in den Tagen Salomos von Gold, denn das Silber wurde für nichts geachtet s. I Reg. 10, 21.
Salomo liebte viele fremde Frauen s. i Reg. 11, 12, mit denen der Israelit nach R. Josua ben Levi sich nicht verbinden darf, allein R. Simeon ben Jochai sagte: Die Wollust trieb ihn dazu. R. Jose der Galiläer sucht aus Nechem. 13, 26 zu beweisen, dass Salomo den Frauen beiwohnte zu einer Zeit, wo sie nach dem Ge- setze zu meiden sind, und sie hatten ihn nicht davon in Kenntniss gesetzt.
R. Jose ben Chalaphtha sagte: Nicht aus Liebe zu ihnen ver- band sich Salomo mit den fremden Weibern, sondern in der Absicht,
Cap. I, I. g
um sie (bei Gott) beliebt zu machen, sie zu nähern, zum Juden- thume überzuführen und sie unter die Flügel der Schechina zu bringen. In dieser Auffassung stimmen R. Josua ben Levi, R. Si- meon ben Jochai und R. Elieser ben Rabbi Jose der Galiläer über- ein, aber R. Jose ben Chalaphtha ist einer andern Meinung. Drei Satane machten sich an Salomo vergl. i Reg. ii, 14. 2^. 25. Wegen der vielen Pferde, die er sich hielt vergl. das. 10, 26. 2g.
Drei Bücher Sprüche verfasste Salomo: i) die Sprüche Cap, i, 10 und 25; drei Eitelkeiten sprach er aus, denn ban ist eine Eitelkeit und a^ban sind zwei Eitelkeiten, was drei ergiebt s. Koh. i, 2, ebensoviele Lieder sang er, denn ■"'•d ist ein Lied und n''"i''u;n sind zwei Lieder.
Drei Namen hatte Salomo, er hiess Jedidja, Salomo und Ko- helet. R. Josua ben Levi legte ihm sieben Namen bei, ausser den drei genannten noch Agur, Jake, Lemuel und Ithiel s. Prov. 50, i. R. Samuel bar Nachman sagt: Ihre Hauptmacht (d. i. die vorzüg- lichsten unter den sieben Namen) sind Jedidja, Kohelet und Salomo. Und er gesteht zu, dass die letzten vier Namen, welche ihm noch beigelegt werden, gedeutet werden müssen. -11:;^ wurde er genannt, weil er die Worte der Thora sammelte; rt'p'' -p, weil er das, was er zu einer Zeit gelernt, zu einer andern wieder ausspie, wie eine Schale, die bald voll, bald ausgeschüttet (leer) ist. So lernte Salomo zu einer Zeit die Thora, zu einer andern vergass er sie wieder. bNi72b s. das. 31, i, weil er in seinem Herzen gegen Gott trotzte und sprach: ich werde die verbotenen Dinge häufen und doch nicht in Sünden verfallen; bx-rrN und bD^S, weil er dachte: mit mir ist Gott, ich kann durch meine Kraft der Versuchung widerstehen.
Drei Bücher verfasste Salomo: die Sprüche, den Prediger und das Hohelied. Welches von ihnen verfasste er zuerst? R. Chija der Grosse sagte: Die Sprüche, dann das Hohelied und zuletzt den Prediger und er beweist es aus i Reg. 5, 12. bfTO geht auf das Buch der Sprüche, i~i"'T2; auf das Hohelied, und das Buch Kohelet hat er zuletzt verfasst. R. Chija der Grosse stimmt nicht damit überein. Nach der einen Ueberlieferung soll er die drei Bücher auf einmal verfasst haben, und nach einer andern Ueberlieferung hat er jedes Buch für sich verfasst. Das letztere ist R. Chijas Meinung. Nach der ersten Ueberlieferung hat Salomo die Bücher zu einer Zeit, nämlich erst in seinem Alter verfasst.
Nach R. Jonathan schrieb Salomo das Hohelied zuerst, dann die Sprüche und zuletzt den Prediger. R. Jonathan weist auf die gewöhnliche Art und Weise {y^ü "rn) des Menschen hin, als Jüng- ling singt er Lieder, als Mann thut er Aussprüche, als Greis klagt er über die Eitelkeiten der Welt.
R. Janai, der Schwager des R. Ami sagte: Darin kommen die genannten Rabbinen überein, dass der Prediger zuletzt von Salomo verfasst worden ist.
Rabbi Eleasar bar Abuna erklärte 1 Reg. 5, 12 dahin, dass
lO Cap. I, I.
Salomo 3000 Beispiele (Gleichnisse) und 1005 Gründe für jede gött- liche Verordnung gab. Nach den Rabbinen fülirte er 3000 Bei- spiele (Gleichnisse) zu jedem Abschnitte und zu jedem Spruche 5000 Gründe an. Wir haben aber doch alle Sprüche gezählt, wandte R. Samuel bar Nachman ein, und nicht mehr als 915 herausgebracht, und du sagst 3000? Er müss zu jedem zwei oder drei Gründe an- gegeben haben. Vgl, Prov. 11, 22 und 25, 12. Wenn es an letztrer Stelle heisst: An dem Ort der Grossen stehe nicht, da ist selbst- verständlich, dass er sich nicht setze und noch mehr, dass er nicht rede.
R. Akiba hat gesagt*): Gott behüte! dass ein Israelit einer an- dern Meinung sein sollte wegen des Satzes: „Das Hohelied ver- unreinigt nicht die Hände", denn die ganze Welt ist nicht so wichtig, wie der Tag, an welchem das Hohelied gegeben wurde, denn alle Hagiographen sind zwar heilig, dieses aber ist das Aller- heiligste. Nur in Betreff des Predigers besteht eine Meinungsver- schiedenheit. R. Jochanan bar R. Josua, der Sohn des Schwagers des R. Akiba, wie die Worte Ben Asais lauten, sagt: Es bestand ein Streit über beide Bücher und sie machten es so aus (dass beide die Hände verunreinigen).
R. Eleasar ben Asarja stellte dieses Gleichniss auf: Ein Mann trug ein Sea Waizen zum Bäcker und sprach zu ihm: Mache mir daraus ganz feines Mehl und aus diesem bereite mir feine Kuchen. Ebenso war auch Salomos Weisheit feines Mehl, aber sein Hohes- lied war das vortrefflichste, höchste und erhabenste unter den Lie- dern (Gesängen), in welchem der gepriesen und verherrlicht wird, der uns als Ueberreste in der Welt erhalten hat, wie es heisst Am. 8, 3 und Deut. 32, 12.
R. Jochanan sagte im Namen des R. Acha und dieser wieder im Namen des R. Simeon bar Abba: Das Hohelied ist das vorzüg- lichste der Gesänge, demjenigen gewidmet, welcher einst den hei- ligen Geist auf uns ruhen lassen wird, es ist dasjenige Lied, in welchem Gott uns preiset und wir ihn preisen. In dem Liede des Mose Ex. 15, 2: „Er ist mein Gott und ihn will ich verherrlichen", preisen wir ihn und in dem Liede des Mose Deut, -^i, 13: „Er Hess es einherfahren über des Landes Höhen", preist er uns, allein hier (im Hohenliede) preisen wir ihn und er preist uns. Er preist uns, wie es heisst: , »Siehe, wie schon bist du meine Schäferin", und wir preisen ihn, wie es heisst: „Siehe, schön bist du, mein Freund". Darum erklärte es R. Simeon im Namen des R. Chanin von Sepphoris für ein zweifaches (bisD "'".:;), R. Simeon sogar für ein vielfaches
(b-IEDWT biCD).
R. Levi sagte: Das Wort "— UJ giebt, die Buchstaben als Zahlen genommen, die Zahl 510, soviel als die Summa der Lebensjahre der Väter beträgt (nämlich: Abraham lebte 175, Jizchak 180 und Jakob
*) S. Miscbna Jadajim III, 5.
Cap. I, I. 2, II
147 Jahre, was in Summa, mit Einschluss der 10 Gebote, 512 Jahre giebt); die Jahre der zwei Hungersnöthe (in den Tagen Abrahams und Jizchaks) sind von dieser Zahl ausgeschlossen.
R. Judan und R. Levi im Namen des R. Jochanan sagten: Ueberall, wo in dieser Rolle '^btt ohne Hinzufügung des Namens Salomo vorkommt, ist Gott darunter zu verstehen. Die Rabbinen sagten: Selbst da, wo das Wort "{bT in Verbindung mit dem Namen nTsb^ vorkommt, geht es auf den Allerhöchsten, dem der Friede gehört (ibd Dibuinu;), dagegen ist '^btt ohne Beifügung des Namens auf die Gemeinde Israel '"') zu beziehen.
V. 2. Er küsse mich mit Küssen seines Mundes.
Wann hat diese Liebe sich geäussert? Nach R. Chanina bar Papa: am Meere vergl. Cant. i, 9, nach R. Juda bar R. Simeon: am Sinai, wo die Sänger das Hohelied sangen vergl. Ps. 68, 26.
Nach R. Nathan soll Gott zur Verherrlichung seiner Grösse der Urheber des Hohenliedes sein, denn es heisst: ,,Lied der Lieder des Königs Salomo" d. i. des Königs, welchem der Friede gehört. Rabban Gamliel schreibt es den Dienstengeln zu, indem er die Ueberschrift auf diese Weise erklärt: Das Lied der Sänger in der Höhe (C'nUJ r!by?3 b"d).
Nach R. Jochanan ist das Lied in Bezug auf den Sinai gesagt worden vergl. V. 2, R. Meir will es auf das Stiftszelt bezogen wissen vergl. 4, 16, in welcher Stelle die Worte -jTEi: "'-i'iy auf das Brand- opfer sich beziehen, welches an der Nordseite geschlachtet wurde, dagegen die Worte ^I^^D ""Nin die Friedensopfer andeuten, welche an der Südseite geschlachtet wurden, die Worte "^r^ Ti^Dn bedeuten das Stiftszelt, T'riiia "bT"» das wohlriechende Räucherwerk, ^mn N^"' die Schechina, T'STO ^^^ h'Dü'i die Opfer. Die Rabbinen beziehen alle diese Verse auf das Heiligthum.**) Nach R. Acha bezieht sich vom Verse ■T^SN (s. Cant. 3, 19) an alles folgende bis zum Ende des Abschnittes auf den Tempel. Die Rabbinen machen alle Verse von ]V"1SN ab und weiter zu einer Einleitung zu dem Abschnitte Num. 7, i: „Und es geschah am Tage, dass Mose die Aufrichtung des Stiftszeltes beendet hatte". Nach der Meinung des R. Chanina bar Papa, welcher das Lied auf den Durchzug der Israeliten durch das Meer deutet, sind die Worte des obigen Verses dahin zu ver- stehen: Er lasse den heiligen Geist auf uns ruhen, dass wir vor ihm viele Loblieder zu singen vermögen. Nach der Meinung des Rab- ban Gamhel, welcher annimmt, dass die Dienstengel das Hohelied gesprochen haben, ist der Sinn des Verses dieser: (Die Dienstengel sagen nämlich:) Er (Gott) gebe uns von den Küssen, die er seinen Kindern (bei der sinaitischen Gesetzgebung) gegeben hat.
*) Nach kabbalistischer Deutung. **) Unter C'cSl" rM vergl. i Reg. 8, 13 eig. das ewige (beständige) Gotteshaus, ist der Tempel zu verstehen im Gegensatze zu den Opferstätten in Gilgal, Schilo u. s. w.
12 Cap. I, 2.
Nach der Meinung des R. Meir, der das Lied auf die Stiftshütte bezieht, ist der Sinn der Worte: Er lasse uns das Feuer herab- komnien und nehme die ihm dargebrachten Opfer an. Nach der Meinung des R. Jochanan, welcher das Lied auf den Sinai bezieht, ist der Sinn dieser: Er lasse uns Küsse aus seinem Munde hervorgehen.
Oder: Er küsse uns mit Küssen seines Mundes. R. Jo- chanan hat gesagt: Ein Engel trug jedes Wort (jeden Ausspruch) Gottes hinweg und ging damit von einem Israeliten zum andern mit der Frage: Nimmst du diesen Ausspruch an? Derselbe enthält so und so viele Rechtssätze, so und so viele Strafarten, so und so viele Verordnungen, so und so viele leichte und schwere Gebote und so und so viele Belohnungen. Wenn der Gefragte mit Ja ant- wortete, so folgte die andere Frage: Erkennst du die Gottheit des Allerhöchsten an? Wenn er auch diese Frage bejahte, so gab er ihm sogleich einen Kuss auf seinen Mund, was mit den Worten Deut. 4, 35 ausgedrückt ist: „Dir ists gezeigt worden, um es zu er- kennen" d. i. durch einen Sendboten, ,,dass der Ewige allein Gott ist und keiner mehr ausser ihm". Nach den Rabbinen ging der Ausspruch selbst von einem Israeliten zum andern und fragte: Nimmst du mich an, so und so viele Rechtssätze sind in mir ent- halten, so und so viele Strafarten, so und so viele Verordnungen, so und so viele leichte und schwere Gebote und so und so viele Belohnungen? Antwortete der Gefragte mit Ja, dann gab ihm der Spruch sogleich einen Kuss auf seinen Mund, wie das Orakel zu Didymoi*) (oder wie der Sturmwind mit Wohlgeruch) und ertheilte ihm weiteren Unterricht, wie auch Deut. 4, g geschrieben ist: „Nur hüte dich, dass du die Worte nicht vergissest, welche deine Augen gesehen haben". Es heisst: „Die Worte, welche deine Augen ge- sehen haben" d. i. wie das Wort mit dir gesprochen hat, oder die zwei Aussprüche (d. i. die zwei ersten Gebote), welche die Israeliten aus dem Munde Gottes selbst vernommen haben, R. Josua ben Levi sagte: Es heisst Ex. 20, 19: ,,Rede du mit uns und wir wollen gehorchen." Was macht aber R. Josua ben Levi? Nach ihm giebt es in der Thora kein Früher und Später. Oder die Worte: „Rede du mit uns" sind nach den ersten zwei, drei Geboten ge- sprochen worden. R. Asarja und R. Jehuda bar R. Simon im Na-
*) Zu Didyma oder Didymoi in der Nähe von Milet bestand ein dem Zeus und ApoUon geweihtes Orakel, Es hiess auch das Orakel der Bran- chiden und Apolloii selbst hiess Branchides. Diesen Beinamen hatte er von einem gewissen Branchos. Als dieser nicht den Apolion bei einer gewissen Gelegenheit geküsst hatte, bekam er von ihm eine Krone und ein Scepter und die Gabe zu weissagen zum Geschenk. Apolion führte auch den Namen '/»//tjö/oc mit Beziehung auf die Liebe zum Branchos vergl. Plin. 34, 75. Ueber Jl6v/xa s. Strabo 14, 6. 14; Pausan. 7, 2. 5, 2. Ueber das Orakel der Branchiden s. Schönborn, Ueber das Wesen Apollons S. 49 ff., wo semitische Eintliisse nachgewiesen werden und Soldan, Zeit- schrift f. A. AV. 184 1 n. 66 — 70. Ein andre Erklärung giebt Rabbiner S. Lindermann s. Hamagid 1879, S. 247,
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men des R. Josua ben Levi ergriffen die Meinung und sagten: Es heisst Deut. 33, 4: „Die Thora hat uns Mose befohlen" d.i. die ganze Thora enthält 613 Ge- und Verbote, das Wort nmr jedoch hat nur 611 in der Zahl d. i. die Gebote, welche Mose mit uns geredet hat, aber die beiden Gebote: Ich bin ("rrN) und: Dir soll nicht sein ("b irr;'' ah^) haben wir nicht aus dem IMunde Moses, sondern aus dem Munde Gottes vernommen. Das wollen die Worte sagen: Er küsse uns mit Küssen seines Mundes.
Wie ging das Wort aus dem Munde Gottes? Nach R. Simeon ben Jochai ging es von der rechten Seite Gottes zur linken Is- raels, zog dann um das Lager Israels, das einen Umfang von 18 Quadratmil hatte, kehrte dann von der rechten Seite Israels zur linken Gottes zurück und wurde von diesem mit seiner Hand empfangen und auf die Tafel eingegraben, wobei seine Stimme von einem Ende der Welt bis zum andern drang, um zu erfüllen, was Ps. 29, 7 geschrieben steht. Die Rabbinen warfen die Frage auf: Giebt es denn oben eine linke Seite? Es wird doch Ex. 15, 6 nur eine rechte erwähnt? Das Wort muss daher von Gottes rechter Seite zur rechten Seite Israels, dann um das Lager Israels in einem Umkreise von 18 Quadratmil von der rechten Seite Israels zur rechten Gottes zurückgegangen und von diesem mit seiner rechten Hand empfangen und auf die Tafel eingegraben worden sein, und der Laut drang von einem Ende der Welt bis zum andern, wie Ps. 2Q, 7 gesagt ist.
R. Berachja sagte: R. Chelbo hat mir gelehrt, dass das Wort sich von selbst in die Tafel eingegraben habe und nachdem dies geschehen, verbreitete sich sein Laut von einem Ende der Welt bis zum andern s. das. 29, 7; allein ich wandte ihm ein: Es steht ja: Die Tafeln waren beschrieben mit dem Finger Gottes? Du denkst (durch Einwürfe) mich zu erwürgen s. Deut. 9, 10, entgegnete R. Chelbo. Was ist denn der Sinn jener Worte? fragte ich. Er antwortete: Wie ein Schüler, welcher schreibt, und sein Lehrer zeigt es ihm mit dem Finger. R. Josua sagte: Die Israeliten haben nur zwei Gebote aus dem Munde Gottes vernommen, nämlich: Ich bin (•*d:n) und: es soll dir nicht sein ("^b ü^n^ nhi), wie es heisst: „er küsse mich mit Küssen seines Mundes" d. i. nicht mit allen Küssen; die Rabbinen dagegen sagen, dass die Israeliten alle Gebote aus dem Munde Gottes vernommen haben, und R. Josua von Sichnin im Namen des R. Levi führt als Grund für die Meinung der Rab- binen die Worte an: ,,Und sie sprachen zu Mose: rede du mit uns und wir wollen hören." Was macht nun R. Josua ben Levi mit diesem Verse? Er entscheidet, dass es in der Thora kein Früher und Später giebt, oder dass die Worte: „rede du mit uns und wir wollen gehorchen" (von den Israeliten) nach dem zweiten oder dritten Gebote gesprochen worden seien. R. Asarja und R. Jehuda bar Simon im Namen des R. Josua ben Levi ergriffen den Einwand und meinten, da es Deut. 33, 4 heisst: „Die Thora hat uns Mose
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befohlen", dass die Israeliten nicht die ganze Thora vernommen haben, welche 613 Ge- und Verbote enthält; da das Wort mir selbst aber nur 611 in der Zahl hat, so folgt daraus, dass Mose nur so viele Gebote mit den Israeliten geredet hat, die beiden (fehlenden) Gebote aber: „Ich bin" und: „es soll dir nicht sein" hat Mose nicht mit ihnen geredet, sondern sie haben dieselben un- mittelbar aus dem Munde Gottes vernommen.
R. Jochanan legte den Vers auf die Israeliten aus, als sie an den Berg Sinai gekommen waren. Sie gleichen einem Könige, der mit der Tochter guter und vornehmer Eltern sich vermählen wollte und durch einen Gesandten um sie werben Hess. Derselbe erhielt von ihr die Antwort: Ich, seine Magd, halte mich der mir zuge- dachten Huld nicht für würdig, ich möchte den Heirathsantrag von ihm selbst vernehmen. Der Gesandte kehrte mit freundlicher Miene zum König zurück, ohne ihm seine Unterredungen (Gespräche^ mit dem Mädchen mitzutheilen. Der König, welcher klug war, sprach: Seine heitere Miene scheint mir anzudeuten, dass mein Antrag eine beifällige Aufnahme gefunden, die Unterredungen mit ihr hat er mir nicht mitgetheilt, es scheint mir, dass sie geäussert hat: Ich will den Antrag aus seinem Munde hören Ebenso ist Israel die Tochter von gutem Herkommen, der Gesandte ist Mose und der König ist Gott. In dieser Stunde hinterbrachte Mose dem Ewigen die Worte des Volkes. Wozu braucht dann noch zu stehen: Mose berichtete die Worte des Volkes dem Ewigen? Allein weil es heisst Ex. 19, 9: „Ich komme zu dir in einer dicken Wolke, damit das Volk mich mit dir reden höre und auch an dich immer glaube", so berichtete Mose die Worte des Volkes: Das Volk verlangt deine Worte un- mittelbar von dir zu hören. Man lässt das Kind vernehmen, was es gern hört, fuhr Gott fort, darum sage dem Volke, dass es sich heilig halte und seine Kleider wasche s. das. 19, 10.
R. Pinchas sagte im Namen des R. Levi: Hier lässt sich das Sprichwort anwenden: Der von einer Schlange Gebissene fürchtet sich vor dem Strick. So sprach auch Mose: Weil ich ehemals ge- sagt habe: Sie werden mir nicht glauben, meiner Stimme nicht Ge- hör geben s. Ex. 4, i, so habe ich (wegen Verläumdung) das meinige aus ihren Händen empfangen (er wurde mit Aussatz gestraft s. das. V. 6), was thue ich ihnen jetzt?
R. Simon ben Jochai hat gelehrt: Die Israeliten verlangten also, sie sprachen: Wir wollen die Herrlichkeit unsres Königs sehen.
R. Pinchas sagte im Namen des R. Levi: Es war schon da- mals bekannt vor Gott, dass die Israeliten einst seine Herriichkeit mit einer andern vertauschen würden s. Ps. 106, 20, indem sie sprechen würden: Wenn er uns seine Herrlichkeit und Grösse gezeigt hätte, so würden wir an ihn geglaubt haben, da jenes aber nicht ge- schehen ist, so sind wir jetzt auch wegen unseres Unglaubens nicht strafbar, um zu bestätigen, was Ps. 143, 2 geschrieben steht.
R. Judan im Namen des R. Juda bar R. Simon und R.
Cap. I, 2. 15
Simon und R. Nechemja. R. Jehuda sagte: In der Stunde, als die Israeliten die Worte Ex. 20, 2 hörten: „Ich bin der Ewige, dein Gott", war die Lehre des Gesetzes in ihr Herz gesenkt, welche sie lernten und nicht wieder vergassen. Sie kamen zu Mose und sprachen: Unser Lehrer! sei du der Dollmetscher zwischen ihm und uns, „sprich du mit uns, wir wollen gehorchen" s. Ex. 20, 19, warum sollen wir nun sterben s. Ex. 20, 20? Welchen Nutzen gewährt unser Untergang? Sie lernten nunmehr, aber sie vergassen es wieder. Da dachten sie: Sowie Mose Fleisch und Blut ist, so ist auch sein Unterricht vergänglich. Sie kamen daher wieder zu Mose und sprachen: O möchte doch unser Lehrer Mose uns die Lehre noch- mals mittheilen, möchte er uns mit den Küssen seines Mundes küssen, möchte die Lehre des Gesetzes doch wieder Wurzel in un- serm Herzen schlagen, wie ehemals! Das wird jetzt nicht der Fall sein, antwortete er, wohl aber einst s. Jerem. 31, t,;^.
R. Nechemja sagte: Als die Israeliten die Worte Ex. 20, 3 hörten : ,,Du sollst keine fremden Götter vor meinem Angesicht haben", wurde der böse Trieb*) aus ihrem Herzen entwurzelt. Sie kamen zu Mose und sprachen: Unser Lehrer! sei du Dollmetscher zwischen ihm und uns, wie es heisst: „Rede du mit uns, wir wollen gehorchen". Warum sollen wir sterben? Welchen V^ortheil bietet unser Untergang? Da kehrte der böse Trieb wieder zu seinem Orte zurück. Sie kamen nun wieder zu Mose und baten: O wenn doch unser Lehrer die Lehre zum zweitenmale uns kund thun, o wenn er doch mit Küssen seines Mundes uns küssen möchte! Jetzt nicht, antwortete Mose, aber einst wird es geschehen s. Ezech. 36, 26.
R.Eleasar sagt: Einem Könige gleich, welcher einen Weinkeller hatte. Es kam ein Gast und er mischte ihm einen Becher und reichte ihm denselben und gab einen solchen ebenso auch einem zweiten Gaste, als aber sein Sohn kam, bot er ihm seinen ganzen Weinkeller dar. Ebenso wurden Adam sieben Verhaltungsregeln, Ge- und Verbote gegeben, welche in den Worten Gen. 2, 16 ent- halten sind, denn das Wort i^^^T bezieht sich auf den Götzendienst vergl. Hos. 5, 11, ~^r^r auf die Entweihung des göttlichen Namens vergl. Lev. 24, 16, D'nbN auf die Richter vergl. Ex. 22, 8, n~N br auf Blutvergiessen vergl. Gen. 9, 6, iTrNb auf Wollust vergl. Jerem. 3, 1, "i^r; yy br?3 auf den Raub vergl. Gen. 2, 16. Dem Noah wurde die Zahl der Verbote um eins , nämlich das Glied vom lebenden Thiere betreffend s. das. 9, 4, dem Abraham die Zahl der Gebote um eins, nämlich die Beschneidung, dem Jizchak wieder um das Gebot, dass dies am achten Tage zu geschehen habe und dem Jakob auch um eins, den Genuss der Spannader betreffend s. Gen. 32, 33, dem Jehuda um eins, die Levirathsehe betreffend s. Gen. 38, 8 vermehrt, Israel aber erfreute sich aller Vorschriften, sowohl der Ge-, wie der Verbote.
*) Die Rabbinen verstehen unter den AVorten Ps. 81, IG: ,,In dir sei kein fremder Gott" den bösen Trieb.
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R. Jose bar R. Chanina und die Rabbinen nahmen als Beispiel einen König an, welcher durch Herzöge, Eparchen und Kriegs- obersten die Rationen (Tractamente) an seine Legionen vertheilen lässt, seinem Sohn aber sie selbst mit eigner Hand verabreicht. R. Jizchak sagte: Gleich einem Könige, welcher Brötchen (Lecker- bissen) ass, als aber sein Sohn kam, gab er ihm dieselben sofort. Die Rabbinen sagen: Gleich einem Könige, welcher ein Stück (Fleisch) ass, welches er aber sofort seinem ankommenden Sohne gab. Manche sagen: Gott entzieht es seinem Munde und giebt es ihm (dem Men- schen), wie es Prov. 2, 6 heisst: „Denn der Ewige giebt Weisheit aus seinem Munde, Erkenntniss und Einsicht." R. Nechemja sagte: Wenn zwei Mitschüler, welche sich mit einer halachischen Frage beschäftigen, verschiedener Meinung sind, ein jeder sie mit Gründen unterstützt, da zollt Gott beiden seinen Beifall. Selbst der Hauch eines jeden, sagt R. Jehuda, ist dem Allerhöchsten wohlgefällig, wie es heisst Hi. 35, 16: „Hiobs Hauch Öffnete seinen Mund" d. i. Gott sprach: Ich finde Lust daran. Die Rabbinen sagten: Ihre Seelen werden einst mit einem Kusse hinweggenommen werden.
Wir finden, sagte R. Asarja, dass Aarons Seele s. Num. 33, 38, sowie die seines Bruders Mose s. Deut. 34, 5 und die seiner Schwe- ster Mirjam s. Num. 20, i nicht anders als mittelst eines Kusses genommen worden ist. Was bedeutet ad? Sowie dort (bei Mose und Aaron), so war auch hier das Verscheiden durch einen Kuss vor sich gegangen, allein die Schrift fand es für unschicklich, es hier deutlich auszudrücken. Woher lässt sich beweisen, dass auch das Verscheiden aller übrigen Frommen mittelst des Kusses sich vollzieht? Aus dem Verse des Hohenliedes: „Er küsst mich mit Küssen seines Mundes." Hast du dich mit den Worten der Thora so beschäftigt, dass deine Lippen bewaffnet sind, so werden zuletzt alle dich auf deinen Mund küssen.
Oder: ,,Er küsse mich mit Küssen seines Mundes." Er bewaffne mich, er reinige mich, er schliesse sich an mich, er küsse mich. Er bewaffne mich, wie i Chron. 12, 2 geschrieben steht. Die Worte der Thora werden darum mit Waffen verglichen, sagte R. Simeon bar R. Nachman, weil wie die Waffen ihren Herrn im Kampfe erhalten, so auch die Worte der Thora den erhalten, der sich mit ihnen hinreichend bemüht.
Als Beweis führt R. Ghana bar Acha Ps. 14g, 6 an mit der Erklärung: Sowie das zweischneidige Schwert auf zwei Seiten ver- zehrt, so gewährt auch die Thora ein zweifaches Leben, das Leben in dieser und in jener Welt. Das in dem angeführten Psalm vor- kommende Wort rvs"'E erklärt R. Jehuda dahin: Es ist die Thora gemeint, die durch einen Mund (rrN r,z^) verkündet und durch viele Munde (m'cn) verbreitet worden ist. R. Nechemja deutet den Plural auf die zwiefache Lehre, die gegeben worden ist, auf die mündliche (nsia ihn) und die schriftliche (3rr3 inNi). Die Rab- binen sagen: Sie beschliessen über die Oberen und sie leisten Folge
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und sie beschliessen über die Unteren und sie leisten Folge. R. Josua von Sichnin im Namen des R. Levi sagte: Die Rabbinen können sich berufen auf i Chron. 24, 5: „Denn die Obersten des Heiligthums und die Obersten Gottes waren aus den Söhnen Eleasars und aus den Söhnen Ithamars." Die Obersten des Heiligthums sind die Dienstengel vergl. Jes. 43, 25, und die Obersten Gottes sind die Israeliten vergl. Ps. 82, 6; denn sie beschliessen über die Oberen und sie leisten Folge und sie beschliessen über die Unteren und sie leisten Folge in Reinheit.
Oder: Er küsse mich mit Küssen seines Mundes. Er reinige mich, er schliesse sich an mich, er küsse mich. Wie ein Mensch, welcher zwei Cisternen so miteinander in Verbindung bringt, dass zwischen beiden ein Raum für einen Wasserbehälter ist vergl.
Jes. 33, 4-
Oder: Er küsse mich mit Küssen seines Mundes. Er küsse mich, er schliesse sich an mich vergl, Ezech. 3, 13.
Oder: Er küsse mich. Er lasse mir die Küsse aus seinem Munde laut hervorgehen.
Denn lieblicher ist deine Liebe als Wein.
Es ist gelehrt worden (Mischna Aboda sara fol. 29b): R. Ismael fragte den R. Josua, als sie miteinander eine Reise machten, warum der Käse der Heiden verboten sei. Er antwortete, weil sie ihn mittelst des Magens eines gefallenen Thieres bereiten. Allein, wandte jener ein, der Magen von Ganzopfern unterliegt doch strengerem V^erbote, als der INIagen eines gefallenen Thieres und dennoch haben die Rabbinen gesagt, dass ihn ein Priester, der dazu Lust hat, un- gekocht (roh) geniessen dürfe. Was heisst nsiTr? Er schlürfte ihn ein.*) Rabbi Simeon ben Lakisch sagt: Sie haben ihn behan- delt wie einen, der aus einem nicht reinen Becher trinkt, wo er dann keinen Genuss und keinen Vortheil hat. Warum hat man den Genuss nicht den Priestern verboten? Er führte das Gespräch auf einen andern Gegenstand. Mein Bruder Ismael, wie liest du? -^"n-i oder -;"'"'-nn (männl. oder weibl.)? Er antwortete: Der folgende Satz giebt darüber Aufschluss: Beim Gerüche deines Oeles u. s. w., "j'rKTr ist männl., folglich muss es "^m heissen. Und warum hat er es ihm nicht mitgetheilt? Weil es, wie R. Jonathan bemerkte, erst unlängst verboten worden war und R. Ismael noch klein war. R. Simeon ben Chalaphtha und R. Chaggi im Namen des R. Sa- muel bar Nachman sagten: Es steht geschrieben: „Schafe kleiden dich" d. i. solange deine Schüler klein sind, sollst du ihnen die Worte der Thora nicht ganz erklären, sind sie herangewachsen und Gelehrte (Schüler der Weisen) geworden, dann magst du ihnen die Geheimnisse der Thora bekannt machen. R. Simeon ben Jochai führte zum Beweise die Worte Ex. 21, i an: „Dies sind die Rechts- vorschriften, welche du ihnen vorlegen sollst." Das Wort D^^n
*) Vergl. Jerusch. Aboda sara II, fol. 41 ^ am Ende.
Wünsche, Midrasch Schir Haschirim.
l8 <^'ap. I, 2.
vorlegen, will sagen: Sowie der Schatz r;72"'b nicht allen bekannt ist, so ist es auch der Inhalt der Thora nicht. R. Huna fragte und R. Chama bar Ukba entgegnete. Wenn er nur mit ihm streiten wollte, so hätte er mit ihm über die fünf zweifelhaften Stellen in der Thora streiten sollen, nämlich über rx*:: Gen. 4, 7, ^i"is Gen. 49, 6. 7, "nnw Ex. 17, 9, D'TpiTZi'o Ex. 37, 20 und sp"i Deut. 31, 16 (ob nämlich diese Worte mit dem vorausgehenden oder nachfolgen- den Worte zu verbinden sind*), also ob Gen. 4, 7 i'Cr CN Nbr: n^b ist's nicht also, wenn du dich gut aufführst, so kannst du dein Angesicht erheben, oder 2'ür Nb ex rNb trage, wenn du dich nicht gut aufführst, zu lesen ist? R. Tanchuma verwies auf Gen. 34, 7, nämlich ob daselbst: 2"'7:u;2 "Td" "jt: ins ::~r' -rs' die Kinder Jacobs kamen vom Felde, als sie hörten, oder "iNS ZZ"2'::d ':>! ni'^Tt V- ^Is sie hörten, kamen sie vom Felde und die Männer betrübten sich, zu lesen ist? R. Jizchak sagte: Es heisst: „Und der Ewige gebot mir." Es giebt Dinge, welche er nur zwischen mir und sich besprochen hat und es giebt Dinge, welche er mir gesagt hat, dass ich sie meinen Kindern sagen sollte. R. Hai sagte: Es giebt Dinge, welche den Mund verschliessen (d. i. die nicht gesagt oder enthüllt werden dürfen). So heisst es einmal Ps. 119, 11: ,,In meinem Herzen berg' ich dein Wort, damit ich mich an dir nicht versündige", und ein andermal heisst es das. V. 13: ,,Mit meinen Lippen erzähle ich alle Gebote deines Mundes." Wie lassen sich diese beiden Schriftstellen miteinander ausgleichen? Auf diese Weise. Solange Ira Hajairi, der Lehrer Davids, lebte, verbarg ich deine Rede in meinem Herzen, als er aber gestorben war, erzählte ich sie mit meinen Lippen.
Oder: ,,Denn lieblicher ist deine Liebe als Wein," Die Worte der Thora gleichen einander, sie schliessen sich einander an, sie sind miteinander verwandt wie Oheim oder der Sohn des Oheims. Es heisst Lev. 11, 36: „Nur Quelle und Brunnen und Wasserbehälter sollen rein sein", weil sie tauglich machen (Machschirin sind), wie es heisst das. V. 38: „So aber Wasser auf den Samen gethan ist.**)
R. Simeon bar Abba im Namen des R. Jochanan sagte: Die Worte der Schriftgelehrten sind beliebter als die Worte der Thora. Was bedeuten die Worte Cant. 7, 10: „Und dein Mund wie köst- licher Wein?" R. Chabraja sagte im Namen des R. Jochanan: Die Worte der Schriftgelehrten sind beliebter als die Worte der Thora, wie es heisst: „denn köstlicher sind deine Liebkosungen als Wein."
Derjenige, welcher sagt: Die Thephillin sind nicht von der Thora geboten (sondern eine rabbinische Verordnung), ist nicht straf- bar, wer aber hinzusetzt und anstatt der vier vorgeschriebenen Stirn- binden eine hinzuthut, also fünf macht, ist strafbar. R. Abba bar
*) Vergl. Midr. Beresch. r. Par. 80. **) In den Worten Lev. il, 36 scheint das "Wort c: Wasser pleonastisch zu stehen, allein es soll nach V. 38 andeuten, dass es tauglich macht.
Cap. I, 2. ig
Kahana im Namen des R. Jehuda ben Pasi hat diesen Satz aus folgendem entnommen. R. Tarphon sagte: Ich war einst auf dem Wege und neigte mich zu lesen nach den Worten der Schule Scham- mais und brachte mich dadurch in die Gefahr, von Räubern ange- fallen zu werden. Daraus siehst du, wenn er das Lesen unterlassen hätte, so würde er nur ein Gebot übertreten haben, jetzt aber, wo er gelesen hat, da schwebte er in Lebensgefahr (eig. da verschuldete «r sein Leben). Hieraus ergiebt sich, dass die Worte der Schrift- gelehrten beliebter (wichtiger) sind, als die Worte der Thora.
R. Chanina bar R. Ada im Namen des R. Tanchum bar Acha sagte: Sie sind sogar gewichtiger als die Worte der Thora und Prophetie, wie es heisst Micha 2, 6: ,, Weissaget nicht! sie sollen weissagen!" denn der Prophet Micha stellt 2, 11 letztere dem Weine gleich, das Hohelied i, 2 zieht die Ueberlieferung dem Weine vor. Es verhält sich damit, wie mit zwei Gesandten (■;"'"iL::72bs Parlamen- tairen), die ein König nach einem Lande abordnet. In Bezug auf den einen schrieb er: Wenn er euch mein Siegel und meine Mütze vorzeigt, so schenkt ihm Glauben, wenn er das aber nicht thut, so glaubet ihm nicht; in Bezug auf den andern aber schrieb er: Selbst wenn er euch nicht mein Siegel und meine Mütze zeigt, könnt ihr ihm glauben. So verhält es sich auch mit den Worten der Pro- phetie, es heisst Deut. 13, 2: „Denn ein Prophet ist in deiner Mitte ■erstanden", von den Worten der Schriftgelehrten dagegen heisst es Deut. 17, 11: „Nach dem Gesetze, das sie dich lehren" u. s. w. Es heisst nicht: rTmnn "^mr "i'dN, sondern ^im^ ndwN; ferner heisst es nicht: ^xar. ^dN t2cd"n bs'T, sondern -b T-i?:^-' TCN, „und nach dem Rechte, das sie dich lehren, sollst du thun, nicht weichen sollst du von dem Spruche, den sie dir verkünden, weder zur Rechten, noch zur Linken" d. i. wenn er rechts sagt, so ist es rechts und wenn er links sagt, so ist es links, höre auf sie, selbst wenn sie dir rechts sagen, was links ist und links, was rechts ist.
Oder: „Denn köstlicher sind deine Liebkosungen als Wein." Die Worte der Thora werden mit Wasser, Wein, Oel, Honig und Milch verglichen; mit Wasser s. Jes. 55, i. Wie das Wasser von einem Ende der Welt zum andern fliesst vergl. Ps. 136, 6, so verbreitet sich auch die Gotteslehre von einem Ende der Welt bis zum andern s. Hi. 11, 9; wie das Wasser der Welt Leben spendet s. Cant. 4, 15, so giebt auch die Thora der Welt Leben s. Prov. 4, 22 vergl. Jes. 55, i; wie das Wasser vom Himmel kommt s. Jerem. 10, 13, so kam auch die Thora vom Himmel s. Ex. 20, 22; wie das Wasser rauscht s. Ps. 2g, 3, so wurde auch die Thora von Donnerstimmen begleitet s. ~Ex. 19, 16; sowie das Wasser er- quickend ist s. Jud. 15, 19, ebenso ist es die Thora s. Ps. 19, 8; wie das Wasser den Menschen von Unreinigkeit reinigt s. Ezech. 36, 25, so reinigt auch die Thora den Menschen vom Unreinen s. Ps. 12, 7; wie das Wasser den Körper reinigt s. Lev. 14, 9, so reinigt auch die Thora den Körper s. Ps. 119, 140; wie das Wasser
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die Blosse des Meeres bedeckt s. Jes. ii, y, so deckt die Liebe hei- schende Thora die ^Mängel Israels s. Prov. lo, 12; sowie das Wasser in Tropfen herabfällt und zu Strömen wird, ebenso wird die Thora dem, der täglich auch nur zwei Halachot kennen lernt, ein spru- delnder Bach; wie Wasser nur dem Durstigen angenehm schmeckt, so ist auch die Thora nur dem, der nicht müde in ihr wird, ange- nehm; sowie das Wasser den hohen Ort verlässt und der Niederung zuströmt, ebenso findet die Thora nicht beim Hoffärtigen, sondern nur beim Demüthigen eine Ruhestätte; sowie das Wasser nicht in silbernen, sondern in irdenen Gefässen sich frisch erhält, ebenso erhält sich auch die Thora nur in dem, welcher sich selbst wie ein irdenes Gefäss macht; wie in Bezug auf das Wasser der Grosse sich nicht schämt zum Kleinen zu sprechen: Lass mich trinken, so schämt sich auch der Grosse nicht zum Kleinen zu sprechen: Erkläre mir einen Ab- schnitt, einen Vers, selbst einen Buchstaben; sowie der Mensch im Wasser, wenn er nicht zu schwimmen weiss, den Tod findet (verschlungen wird), ebenso verhält es sich auch mit den Worten der Thora, wenn der Mensch nicht in ihnen zu schwimmen weiss und dadurch belehrt wird, wird er schliesslich verschlungen. Aber nicht wie das Wasser, das nach den Gärten (Parkanlagen) und Abtritten und Badehäusern geleitet wird, sagte R. Chanina von Cäsarea, sind die Worte der Thora s. Hos. 14, 10. Wie das Wasser das Wachsthum der Pflanzen be- fördert, sagte R. Chama bar Ukba, so ziehen auch die Worte der Thora denjenigen gross, der sich mit ihnen bemüht. Damit man aber nicht glaube, wie das Wasser, je länger es sich in einem Kruge befindet, stinkend und säuerlich wird, dass es sich auch mit den Worten der Thora so verhalte, so wird sie auch mit dem Weine verglichen. Wie dieser, je älter er im Kruge wird, vor- züglicher wird, so auch die Worte der Thora, je älter sie im Kör- per des Menschen werden, desto ausgezeichneter werden sie an Grösse. Oder wie das Wasser im Körper nicht erkennbar ist, meinst du, dass es sich auch mit den Worten der Thora so verhalte? Darum wird sie mit dem Weine verglichen. Wie der Wein im Körper (Leibci erkannt wird, so werden auch die Worte der Thora im Körper erkannt. I\Ian winkt und zeigt mit dem Finger und sagt: Das ist ein Gelehrter. Oder wie das Wasser nicht das Herz erfreut, meinst du, dass auch die Worte der Thora es nicht er- freuten? Darum wird sie mit dem Weine verglichen, wie dieser das Herz erfreut s. Ps. 104, 15, so erfreuen auch die Worte der Thora das Herz s. das. 19, 11. Und wenn man ferner meinen sollte, dass wie im Weine auch in der Thora Schlechtes für Kopf und Körper enthalten sei, so wird diese mit Oel verglichen. Wie das Oel für Kopf und Körper lieblich ist, so sind es auch die Worte der Thora s. das. 119, 105. Oder wie das Oel anfangs bitter, zu- letzt aber süss ist, meinst du, dass es sich auch mit den Worten der Thora so verhalte? Darum wird sie mit ^Nlilch verglichen. Wie Honig und Milch, wenn sie sich miteinander vermischen, den Körper
Cap. I, 2. 3. 21
nicht schädigen, so verhält es sich auch mit den Worten der Thora s. Prov. 3, 8, vergl. das. 4, 22.
Oder unter „deinen Geliebten" sind die Altväter zu verstehen, ■welche lieblicher sind „als Wein" d. i. als die Fürsten. Oder unter „deinen Geliebten" sind die Thieropfer gemeint, welche vorzüglicher sind „als Wein" d. i. als die Trankopfer.
R. Chanina sagte: Wenn Mose gewusst hätte, wie beliebt die Thieropfer wären, so würde er, als die Israeliten zu dem bewussten Werke (dem goldenen Kalbe) kamen, alle die in der Thora ver- ordneten Opfer zur Sühne dargebracht haben, allein er berief sich eiligst auf das Verdienst der Väter Abraham, Jizchak und Jacob s. Ex. 32, 13. Oder unter „den Geliebten" sind die Israeliten gemeint, welche beliebter sind als „Wein" d. i. als die (70) Völker der Welt; denn das Wort y Wein hat soviel in der Zahl, denn - ist 10 und ** ist 10 und ; ist 50, um dir zu lehren, dass Israel vor Gott mehr gilt als alle Völker.
V. 3. Beim Duft deiner guten Oele.
Alle die Loblieder, sagte R. Janai bar R. Simeon, welche die Väter vor dir, Gott, gesungen haben, sind nur Duft gewesen, allein von uns gilt: „ausgegossenes Oel dein Name" d. i. wie der Mensch das Oel aus einem Gefässe in das andere giesst, ebenso waren die Satzungen, welche die Väter vor dir geübt haben, nur Duft, von uns aber gilt: ,, ausgegossenes Oel dein Name." Es sind 248 Ge- bote und 365 Verbote. R. Elieser sagt: Wenn alle Meere Dinte, alle Schilfrohre Griffel, Himmel und Erde Rollen und alle Menschen Schreiber wären, so vermöchte man doch nicht die Thora, die ich kennen gelernt habe, niederzuschreiben, und ich habe mir nur soviel angeeignet, wie wenn ein Mensch die Spitze des Schmink- stiftes ins Meer taucht. Ebenso sagte auch R. Josua: Wenn alle IMeere Dinte, alle Schilfrohre Griffel, Himmel und Erde Pergamente v\ären, so vermöchte man nicht die Thora, die ich kennen gelernt habe, niederzuschreiben und ich habe mir nur soviel angeeignet, wie wenn ein Mensch die Spitze des Schminkstiftes ins Meer taucht. Allein R. Akiba sprach sich auf diese Weise aus: Ich vermag nicht das von mir zu sagen, was meine Lehrer geäussert haben, sondern ich habe mir nur soviel angeeignet, wie wenn ein Mensch an einen Ethrog (Paradiesapfel, riecht, er hat zwar einen Genuss, jener aber nimmt dabei nicht ab (eig. jenem aber mangelt nichts); ich gleiche dem. welcher aus reinem quellenden Wasser sein Gefäss hebt, oder dem, der ein Licht an dem andern anzündet.
R. Akiba kam einmal zu spät in das Lehrhaus, weshalb er draussen blieb, darin aber wurde eine Frage angeregt, welche eine Halacha betraf. Da hiess es: Die Halacha ist draussen; es folgte darauf eine andere Frage und es hiess auch: Die Thora ist draussen; endlich wurde noch eine Frage erörtert und nun hiess es: R. Akiba ist draussen. Es wurde ihm Platz gemacht und er kam zu den
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Füssen des R. Elieser zu sitzen, dessen Lehrhaus so rund wie eine Art Rennbahn (Augenbraue) gebaut war und es lag ein Stein dort, welcher ihm zum Sitzen diente. Diesen küsste R. Josua mit den Worten: Dieser Stein gleicht dem Berge Sinai und der, welcher darauf sitzt, der Bundeslade.
Oder unter „dem Dufte deiner guten Oele" ist nach R. Acha im Namen des R. Tanchuma bar R. Chija das Oel der Priester- und der Königsweihe, nach den Rabbinen die geschriebene und die mündliche Lehre zu verstehen. „Ausgegossenes Oel dein Name." Wer mit dem Oele der Thora sich beschäftigt, erhebt sich über alles. Dies ist die INIeinung des R. Judan, welcher auf Jesaia lo, 27 verweist, wo es heisst: „zerbrochen wird das Joch vor Fett" d. i. das Joch Sancheribs wird von Chiskia und seinem Collegium zer- brochen werden, die mit dem Oele der Thora sich beschäftigten Oder wie dieses Oel anfangs widrig (bitter), zuletzt aber heilsam (süss) ist, „so wird auch dein Anfang gering sein, aber dein Ende wird sehr wachsen" (s. Hi. 8, 7 d. i. so kostet dir die Ergründung der Thora anfangs viel Ueberwindung, nachher aber gewährt sie Ergötzlichkeit).
Oder wie das Oel nur durch Stossen gut wird, so thun die Israeliten auch nur durch Leiden Busse, und wie das Oel sich nicht mit andern Getränken vermischt, so mischt sich auch Israel nicht mit den Völkern der Welt s. Deut. 4, 3, und sowie vom Oel das, was man von einem übervollen Becher ablaufen lässt, sich nicht mit anderen Getränken vermischt izusammenfliesst), ebenso wenig vereinigen sich die Worte der Thora mit leichtfertigen Reden Spöttereien); wie das Oel \\\ einem Gefasse den hinein- gefallenen Wassertropfen verdrängt (denn jenes schwimmt oben auf), so verdrängt das Wort der Thora, das in deinem Herzen Eingang gefunden, unnützes Geschwätz, und so auch umgekehrt, wenn un- nützes Geschwätz in deinem Herzen Eingang gefunden, so verdrängt es das Wort der Thora; wie das Oel der Welt Licht bringt, so dient auch Israel zur Erleuchtung der Welt' s. Jes. 60, 3; wie das Oel auf allen Getränken oben schwimmt, so wird auch Israel alle Völker überragen s. Deut. 2%, i; wie das Oel keinen Laut von sich giebt, so wird auch den Israeliten die laute Stimme nur in dieser, nicht aber in jener Welt fehlen s. Jes. 29, 4.
R. Jochanan legte obigen Vers auf unsern Vater Abraham aus. Dieser glich, als Gott ihn seine Heimath verlassen hiess s. Gen. 21, I, einer Flasche mit Balsam, welche in einem Winkel lag und daher ihren Duft nicht eher verbreitete, als bis einer kam und sie ihrer Verborgenheit entrückte und ins Freie versetzte. So sprach auch Gott zu Abraham: Abraham, du hast viel Erspriessliches ge- wirkt (eig. du bist im Besitz vieler guter Werke und hast viele Vor- schriften beobachtet), begieb dich nun in die weite Welt und dein Name wird an Grösse in meiner Welt gewinnen s. das. 12, 2.
Darum lieben dich Jungfrauen. Gott sprach zu Abra-
Cap. I, 3. 23
harn : Du hast viele Welten (niTbr Plur. von nVir, nicht von Tf^ibv Jungfrau), als dein Weib, deines Bruders Sohn und die Seelen, die sie in Haran gestellt s. das. 12, 5, die dich lieben. Wie ist aber Letzteres zu verstehen, da doch die ganze Welt nicht eine Mücke zu erschaffen im Stande ist? Es sind die Proselyten gemeint, die von Abraham und Sara zur wahren Erkenntniss gebracht worden waren, darum heisst es: „Und die Seelen, welche sie in Haran ge- stellt haben." R. Hunja sagte: Abraham bekehrte die Männer und Sara die Frauen. Was heisst das: ,,Die Seelen, die sie in Haran gestellt haben." Unser Vater Abraham nahm sie gastfreundlich in sein Haus auf, bewirthete sie (eig. gab ihnen zu essen und zu trin- ken), behandelte sie liebreich, näherte sie und bekehrte sie zum Judenthum und brachte sie unter die Fittige der Gottheit, was so angesehen wird, als hätte er sie erschaffen, gebildet und gestaltet.
R. Berachja sagte: Die Israeliten sprechen vor Gott: Herr der Welt! sowie du Licht in die Welt kommen lässt, wird dein Name in der Welt verherrlicht. Welches Licht? Das Licht der Erlösung; denn sobald du uns dieses Licht bringst, kommen viele Proselyten zu uns, bekehren sich und schliessen sich uns an, wie z. B. Jethro s. Ex. 18, 10. II, Rachab s. Jos. 2, 11, welche beide hörten und kamen. Ebenso schlössen sich nach der Meinung des R. Chanina zu der Zeit, in welcher den Männern Chananja, Mischael und Asarja ein Wunder geschah, viele Proselyten Israel an s. Jes. 2g, 22,. Was steht nachher? S. das. V. 24.
Oder der Sinn der Worte: ,, Darum lieben dich Jungfrauen" ist dieser: Weil du uns Beute von Aegypten, auf dem Meere, von Sichon und Og und von den 31 Königen gegeben hast, darum lieben wir dich. Oder der Sinn der Worte ist dieser: Weil du ihnen den Tag des Todes und des Trostes verborgen hast, darum lieben sie dich. Oder sie lieben dich mrbra d. i, mit Hurtigkeit (Kräftigkeit niT-'-iTa). Andere wollen unter m7:br die Bussfertigen (nariJn ■'bra) verstehen, welche dem Verderben (niU bs') nahe waren). Oder es ist mit dem Worte jene dritte, Sacharja i, 19 erwähnte Classe von Sündern ge- meint. Oder das Wort bezieht sich auf die Proselyten s. Hab. 3, 2, oder auf die Zeitgenossen der Hadrianischen Religionsverfolgung s. Ps. 44, 23, oder auf die Israeliten s, Deut. 4, 8. Oder der Sinn der Worte: „Darum lieben dich Jungfrauen" ist dieser: Weil du den einstigen Lohn der Gerechten vor ihnen verborgen hast (n^sbrri'i*), denn R. Berachja und R. Chelbo haben gesagt: Einst wird Gott an der Spitze des Reigentanzes mit den Gerechten in der künftigen Welt stehen, wie Ps. 48, 14 geschrieben stehet, wo "bin zu lesen ist. Gerechte stehen von der einen und von der andern Seite und Gott befindet sich in ihrer Mitte und sie tanzen vor ihm mit Jugendkraft (m7:b"r), zeigen mit dem Finger auf ihn und spre- chen: „Dieser Gott ist unser Gott auf ewig, er wird uns leiten bis zum Tode (mr br)" d. i. er wird uns in zwei Welten zur Unsterb- lichkeit führen, in diese und jene Welt. Oder: „Er wird uns füh-
24 Cap. I, 3. 4.
reii m73 53'" d. i. mit Jugendkraft (n?:"'?^) und Hurtigkeit. Oder er wird uns führen wie diese Jungfrauen (Nn72""7ir "pb-N^), vergl. Ps. 68, 26. Akilas übersetzt das Wort r7:-by Ps. 4^:, 15 durch Unsterblichkeit a^avaoia (d. i. n^7a\jN oder riTO Vn) d. i. die Welt, in welcher kein Tod ist. Die einen winken den andern mit dem Finger und sprechen: „Dieser ist unser Gott auf ewig, er wird uns leiten r'f'Ki':::'^ d. i. er wird uns in zwei Welten führen, in diese und jene Welt, in diese Welt s. Deut. 15, 6 und in jene Welt s. Jes. 58, 11.
V. 4. Zeuch mich dir nach, so laufen wir.
R. Meir hat gesagt: Als die Israeliten vor dem Berge Sinai standen, um das Gesetz zu empfangen, sprach Gott zu ihnen: Sollte ich etwa unverdient euch das Gesetz geben? Stellet mir zuvor glaubhafte Bürgen, dass ihr es auch haltet, so will ich es eucli geben. Herr der Welt! antworteten sie, unsere Väter sind unsere Bürgen. Eure Väter, sprach Gott, brauchen selbst Bürgen. Es verhält sich mit ihnen wie mit jenem, welcher vom Könige geliehen haben wollte. Bringe mir einen Bürgen, sagte er zu ihm, und ich will dir borgen. Er stellte ihm einen Bürgen. Der König sprach: Dein Bürge bedarf selbst eines Bürgen. Er stellte ihm nun einen zweiten Bürgen, allein der König sprach: Dein Bürge bedarf wieder eines Bürgen. Als er ihm endlich den dritten Bürgen brachte, sprach der König: Nur dieser Bürge flösst mir Vertrauen ein, nun will ich dir leihen. So sprach auch Gott zu den Israeliten, als sie standen, um das Gesetz zu empfangen: Ich will euch das Gesetz geben, bringet mir gute Bürgen, dass ihr es auch haltet, wenn ich es euch gebe. Die Israeliten sprachen: Unsere ^'äter sind unsere Bürgen. Gott entgegnete: Eure Väter stehen nur für sich selbst. So steht Abraham nur für sich selbst, weil er mir nicht getraut hat s. Gen. 15, 8, ebenso Jizchak, weil er den Esau liebte, den ich hasste s. Male, i, 3, desgleichen Jacob, weil es ihm an Vertrauen fehlte s. Jes. 40, 27; ihr müsst gute Bürgen stellen, dann will ich euch das Gesetz geben. Die Israeliten sprachen vor Gott: Herr der Welt! so mögen unsere Propheten unsere Bürgen sein. Auch diese, entgegnete Gott, stehen nur für sich selbst s. Jerem. 2, 8 und Ezech. 13, 4; ihr müsst mir sichere Bürgen stellen, wenn ich euch das Gesetz geben soll. So mögen, sprachen die Israeliten, unsere Kinder unsere Bürgen sein. Diese nehme ich an, sprach Gott, sie sind mir gute Bürgen für euch, ich will euch das Gesetz geben s. Ps. 8, 3. wo unter dem Worte Tii' nichts anderes als das Gesetz zu verstehen ist vergl. Ps. 2g, 11. Wenn nun der Schuldner seiner Verbindlich- keit nicht nachkommt, wer wird dann in Anspruch genommen? Der Bürge s. PIos. 4, 6: „Weil du das Gesetz deines Gottes vergissest, so vergesse auch ich deine Kinder." R. Acha sagte: Sollte es denn möglich sein, dass auch ich vergessen sollte? Wer vor mir wird vor der Thora die Beracha sprechen: Preiset den Ewigen, den Hoch- preislichen! Das kann sich doch nicht auch auf die Säuglinge be-
Cap. I, 4. 25
ziehen? Es werden doch aber wegen der Vernachlässigung des Gesetzes eure Kinder zur Verantwortung gezogen, denn es heisst Jerem. 2, 30: „VergebHch habe ich eure Söhne geschlagen." Gleich- sam als ob die Möglichkeit vorhanden wäre, das? auch ich vergesse. Wer die Lobpreisung vor mir sprechen wird: Preiset den Ewigen, den Hochpreislichen! Darum muss der Vater seinem Sohne früh- zeitig im Gesetz Unterricht ertheilen, damit ihm die Tage in der Welt verlängert werden, wie es heisst Prov. g, 1 1 : „Dadurch mehren sich deine Tage und es nehmen dir zu die Jahre des Lebens."
R. Jochanan sagte: Weil du uns in das vortreffliche Land ge- bracht hast, das dein Wohnsitz genannt wird, darum laufen wir dir nach. Ebenso sagte R. Josua ben Levi. Die Rabbinen sagten: Weil du deine Schechina unter uns wohnen lassest s. Ex. 25, 8, darum laufen wir dir nach. Die Rabbinen sagen ferner: Weil du deine Schechina uns entzogen hast, so laufen wir dir nach, was du daran erkennen kannst, dass die Israeliten bei allen Trübsalen, von denen sie wegen des goldenen Kalbes heimgesucht wurden, sich nicht betrüben Hessen, wohl aber, als sie von Gott hörten: „Ich ziehe nicht in deiner Mitte hinauf" s. Ex. 33, 3. 4. Als das Volk dieses böse Wort vernahm, betrübte es sich.
Von Simeon ben Jochai wurde gelehrt: Den Israeliten wurde am Berge Horeb eine Waffe gegeben, in welcher der ganze Gottes- name eingegraben war, er wurde ihnen aber, als sie die Sünde mit der Fertigung des goldenen Kalbes begangen hatten, wieder ge- nommen. Wie wurde er ihnen genommen? Nach R. Ibo schälte er sich von selbst wieder ab, nach den Rabbinen kam ein Engel herab und schälte ihn ab, Herr der Welt! sprachen die Israeliten vor Gott, das Weib putzt sich doch nur, um ihrem Mann zu gefallen.
R. Josua ben Levi sagte: Die Israeliten hatten grosses Ver- langen nach der Schechina, wie aus Gant. 4, 16 hervorgeht. R. Judan sagte: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Herr der Welt! weil du mit meinen Nachbarn (Sodom und Gomorrha) streng nach dem Masse der Gerechtigkeit, mit mir aber nach dem Masse der Barmherzigkeit verfuhrst, darum laufen wir dir nach; denn R. Be- rachja hat im Namen des R. Eleasar gesagt: Die zehn Stämme müssen mehr gesündigt haben, als das Geschlecht der Sündfluth, denn von diesem heisst es: ,,Es ist böse den ganzen Tag" s. Gen. 6, 5, von jenem aber heisst es Micha 2, i : „Wehe denen, die Un- recht sinnen und Böses bereiten auf ihren Lagern" d. i. sogar des Nachts. Woher lässt sich beweisen, dass das auch am Morgen der Fall war? Weil es das. heisst: „Beim Morgenlicht vollführen sie es, wenn es in ihrer Hand steht." Von diesen ist ein Rest ver- blieben, aber von jenen ist kein Rest verblieben. In wessen Ver- dienst? R. Jizchak erklärte die Stelle ihnen zum Lobe. Rabbi sagte: Im Verdienste von Ezech. 14, 22: „Siehe, so sollen doch noch einige Gerettete darin verbleiben." Es heisst daselbst nicht:
26 Cap. I, 4.
j.CN'Sri?:", welche herausführen", sondern: „:'Xi:i?:rr, welche her- ausgeführt werden", nämlich im Verdienste der frommen ^länner und Frauen, wegen der Propheten und Prophetinnen, die von ihnen erstehen werden.
R. Chanina sagte: lieber die Seestädte lässt die Schrift sich härter aus, als über das Geschlecht der Sündfiuth, denn jene werden Zeph. 2, 5 ein Volk genannt, welches sich der Vernichtung schuldig gemacht hat. Und in wessen Verdienste werden sie gerettet? Wdl sie jährlich wenigstens einen Gottesfürchtigen stellen. R. Levi deu- tete diese Stelle für sie zum Lobe. Sie werden darum c'r^~r ":; genannt, weil sie ein Volk bilden, das ein Bündniss mit Gott ge- schlossen hat (n"'"!3 nis'c), wie Nehem. g, 8 geschrieben steht.
R. Josua bar Nechemja im Namen des R. Acha sagte: Die Schrift giebt den Sodomiten nicht ein so hartes Zeugniss, wie den beiden Stämmen Jehuda und Benjamin; von jenen heisst es Gen. 18, 20: „Und ihre Sünde war sehr schwer", von diesen aber heisst es Ezech. g, g: „Die Schuld des Hauses Israel und Jehuda ist sehr, sehr gross." R. Tanchuma führte als Beweis die Stelle Thren. 4, 6 an und sagte: Die Sodomiten sind nur darum untergegangen, weil sie gar nichts Gutes gewirkt hatten, Israel hatte doch wenig- stens mitleidige Frauen s. das. V. 10.
R. Asarja sagte: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Herr der Welt! weil du mir meine Nachbarn, die Aegypter, Sichon und Og und die 31 Könige hast zu Theil werden lassen s. Ex. 3, 22, so laufen wir dir nach. Oder der Sinn der Worte ist: Weil du böse Nachbarn gegen mich gereizt hast, so laufen wir dir nach. Einem Könige gleich, sagte R. Abin, welcher, da er über seine Gemahhn aufgebracht war, ihre bösen Nachbarinnen gegen sie hetzte. Dar- über fing sie an zu schreien und sprach: Mein Herr König! hilf mir. So wurden auch die Israeliten von den Sidoniern und Ama- lekitern bedrängt s. Jud. 10, 12, weshalb sie Gott um Hilfe riefen. Oder: Sowie du mich in Elend und Armuth gerathen lässt, laufen wir dir nach (d. i. wenden wir uns zu dir), wie auch R. Acha gesagt hat: Wenn der Jude Johannisbrot essen muss, so thut er Busse.*) In gleichem Sinne that R. Akiba den Ausspruch: Die Armuth steht der Tochter Jacobs so schön, wie ein rother Riemen dem weissen Pferd (d. i. in Folge des Druckes bleiben die Israeliten dem Gesetze getreu.**)
Oder: Wegen des grossen Pfandes, das du von mir in den Händen hast, laufen wir dir nach, denn R. ]\lenachma hat im Namen des R. Jochanan gesagt: Es steht geschrieben Nechem. i, 7: „Wir sind dir verpfändet" d. i. wir haben die Zerstörung des ersten und zweiten Tempels verschuldet.
R. Berachja sagte im Namen des R. Jehuda im Namen des
*) Vergl. Midr. AVajikra r. Par. 35. **) Vergl. Chagiga fol. gb.
Cap. r, 4. 27
R. Hai: Es steht geschrieben Ex. 15, 22: „Mose Hess die Israeliten vom Binsenmeer aufbrechen" d. i. er wandte sie von der Sünde ihrer Widerspenstigkeit am Meere ab. Sie fragten ihn: Mose, unser Lehrer! wohin führst du uns? Er antwortete ihnen: Nach Elim, von Elim nach Alusch, von Alusch nach Mara, von Mara nach Rephidim, von Rephidim nach dem Sinai. Wohin du uns auch führst, sprachen sie, folgen wir dir: Gleich jenem, der eine Frau vom Dorfe geheirathet und gesagt hatte: Auf, komm mit mir! Wo- hin denn? Von hier nach Tiberias, von da nach Burseki und von da nach dem obern Markt, von da nach dem untern Markt. Sie sprach zu ihm: Wenn du mich nimmst, so folge ich dir, wohin du auch gehst. So sprachen auch die Israeliten: Meine Seele hängt dir nach.
R. Jose bar Ika sagte: Der Vers ruft laut aus: Ziehe mich von der heiligen Schrift zu Mischna, von ihr zum Talmud, von ihm zur Tosephtha, von ihr zur Haggada.
Der König führt mich ein in seine Gemächer.
Es ist dort (Chagiga fol, 14b) gelehrt worden: Vier gingen in das Paradies*): Ben Asai, Ben Soma, Elischa ben Abuja und R. Akiba. Ben Asai schaute und ward getroffen, auf ihn lässt sich der Spruch Prov. 25, 16 anwenden: Hast du Honig gefunden, ge- niesse ihn massig u. s. w. Ben Soma schaute und starb.**) Auf diesen kann gesagt werden Ps. 116, 15: „Der Tod seiner Frommen ist werth gehalten vor dem Ewigen." Elischa ben Abuja schnitt die Pflanzungen ab. Wie denn? Wenn er in Versammlungs- und Lehrhäuser kam und daselbst Kinder sah, welche Fortschritte in der Thora machten, so führte er sie durch seine Reden irre, so dass auf ihn angewendet werden kann Koh. 5, 5: ,, Gestatte deinem jMund nicht, dass er dein Fleisch in Sünde bringe." R. Akiba ging in Frieden hinein und kam in Frieden wieder heraus, nicht etwa, weil er grösser als seine Genossen war, sondern wie die Weisen in der Mischna gelehrt haben: Deine Werke werden dich nähern und deine Werke werden dich entfernen. Auf ihn kann angewendet werden: „Der König führt mich ein in seine Gemächer." R. Janai sagte: die Thora hätte eigentlich mit Ex. 12, 2 anfangen sollen, und warum off"enbarte Gott den Israeliten erst, was am ersten und was am zweiten Tage und so fort bis zum sechsten Tage erschaffen worden war ? Weil sie sprachen Ex. 24, 7: „Alles was der Ewige geredet, wollen
*) Sinn : Sie beschäftigten sich mit Geheimlehren, mit der Metaphysik. In der oben angezogenen Chagigastelle heisst es: R, Akiba sagte zu den Gelehrten, die ins Paradies gingen: Wenn ihr zu den reinen Marmorsteinen kommen werdet, so saget nicht: "Wasser, Wasser! Denn es heisst Ps. 10 1, 7: Wer Lügen redet, hat keinen Bestand vor meinen Augen (d. i. lasst es euch nicht beikommen, dass der Urstoff (vA?/) das Wasser sei).
**) So lautet die Version des jerus. Talmud Chagiga II, fol. 7a u. b; die Version des babylon. Talmud berichtet grade umgekehrt, dass Ben Asai geschaut und gestorben und Ben Soma geschaut und geschlagen worden sei.
28 Cap. I, 4.
wir thun und gehorchen. Sofort oft'enbarte er es ihnen. R. Berachja sagte: Es steht Deut. 4, 13 geschrieben: „Er that euch kund seinen Bund" nämHch das Buch der Schöpfung, weil es den Anfang der Weltschöpfung lehrt, „das, was er euch zu thun befohlen hat", näm- lich die zehn Worte, zehn zum Lesen und zehn zum Lernen. Denn woher kam Elihu, Sohn Baracheel, der Busite, dass er den Israeliten die Geheimnisse des Behemot und Leviathan offenbaren, und woher kam Ezechiel, dass er ihnen die Geheimnisse von der Merkaba (dem göttlichen Thronwagen^ kund thun konnte, als wie es hier heisst: „Der König führt mich in seine Gemächer.
Und wir frohlocken und freuen uns deiner.
In zehn Ausdrücken wird den Israeliten die Freude zugerufen: mit rtb"»; Frohlocken s. Sach. 9, 2; r:-:;"'b Jubel s. Jes. 61, 10; -r.i:-:: Freude s. das. 66, 10; nri in Jubel ausbrechen s. Sach. 2, 14; nr^s in Jubel ausbrechen s. Jes. 54, i; riVrti: Jubel s. das. 12, 6; rr^'zy frohlocken s. i Sam. 2, i; T.'bz' Jubel s. Ps. 68, 5; rtTin Freude s. Esra 6, 16; ?:5*T^r Jubelgeschrei s. Ps. 98, 4 und 47, 2. blanche geben dem Jubel auch Ausdruck durch Hüpfen (Tanzen rtil""") s. Hi. 41, 13, wo der Sinn ist: springend wie der Soclet.*)
Oder: ,,Wir frohlocken" u. s. w. Es ist dort (Jebamot) gelehrt worden: Wenn ein Mann zehn Jahre lang in kinderloser Ehe gelebt hat, so darf er nicht länger die Erfüllung der ehelichen Pflicht unterlassen.
Eine Frau in Sidon hatte, wie R. Idi erzählt, zehn Jahre mit ihrem Manne gelebt und nicht geboren. Die Eheleute kamen zu R. Simeon ben Jochai, um geschieden zu werden. Dieser sprach zu ihnen: Bei eurem Leben! sowie eure Verbindung bei einem Fest- mahle (eig. mit Essen und Trinken) geschlossen worden ist, so muss auch eure Trennung bei einem Festmahle geschehen. Das Ehepaar kam diesem Ausspruch nach, machte sich einen festlichen Tag, be- reiteten ein grosses Mahl, bei welchem der Mann sich betrank. Als er wieder zur Besinnung kam, sprach er zu seinem Weibe: INIeine Tochter! nimm das Kostbarste, was ich im Hause habe und gehe in dein Vaterhaus. Was that sie? Nachdem er eingeschlafen war, winkte sie ihren Knechten und Mägden und sprach zu ihnen: Tra- get ihn auf seinem Lager in mein Vaterhaus. Um Mitternacht er- wachte er von seinem Rausche und sein erstes Wort war die Frage an sein Weib: Meine Tochter I wohin bin ich gebracht worden? In mein Vaterhaus, antwortete sie. Was habe ich da zu schaffen? fragte er. Hast du mir nicht am Abende gesagt: Nimm das Kost- barste in meinem Hause und kehre in das Haus deines Vaters zurück. Etwas Kostbareres als dich kenne ich in der Welt nicht. Sie gingen nun wieder zu R. Simeon ben Jochai. Er erhob sich, betete für sie und sie wurden bedacht (mit Kindersegen). Daraus
*) Ueber diese Fiscbart vergl. Tahn. jer. Aboda sara II, 42a u. Lewy- sohn, Zoologie des Talm. S. 371.
Cap. I, 4. 29
kannst du lernen, wenn Gott schon das Weib, weil sie ihren Mann für ihr Kostbarstes in der Welt hielt, bedachte, um wie viel mehr erst die Israeliten, die auf die Hilfe Gottes hoffen und täglich zu Gott sprechen: Wir haben nichts Besseres, du bist unser höchstes Gut in der Welt, „mit dir frohlocken und freuen wir uns." Es verhält sich wie mit der Gemahlin eines Königs, welcher mit seinen Söhnen und Schwiegersöhnen eine Seereise unternommen hatten. Deine Söhne sind angekommen, wurde ihr gemeldet. Was liegt mir daran, mögen sich meine Schwiegertöchter mit ihnen freuen, äusserte sie. Man meldete ihr ferner: Deine Schwiegersöhne sind angekommen. Was liegt mir daran, war ihre Antwort, das ist eine Freude für meine Töchter. Als man ihr aber die Rückkunft des Königs, ihres Gemahls, meldete, sprach sie: Nun ist die Freude vollständig. So werden einst auch Propheten kommen und zu Jerusalem sprechen Jes. 60, 4: „Deine Kinder kommen von fern her", sie erwiedert ihnen aber: Was liegt mir an ihnen? „Auch deine Töchter werden auf Händen herbeigetragen" (s. das.). Was liegt mir daran. Wenn sie aber hört Sach. 9, 9: ,,Dein König kommt zu dir" u. s. w., so spricht sie: Nun ist meine Freude vollständig, wie es heisst das.: „Frohlocke sehr, Tochter Zions", desgleichen das. 2, 10: „Juble und freue dich, Tochter Zions." In dieser Stunde spricht sie (s. Jes. 61, 10): „Freuen will ich mich des Ewigen, meine Seele frohlocket über meinen Gott."
Oder: „Wir frohlocken und freuen uns in dir." R. Abin be- gann: Es steht geschrieben Ps. 118, 24: „Diesen Tag hat der Ewige gemacht, wir wollen uns freuen und fröhlich in ihm sein." Da wissen wir nicht, ob v.ir die Freude in dem Tage oder in Gott finden sollen, da kam aber Salomo und entschied für letzteres, nämlich: Wir frohlocken und freuen uns in dir d. i. wir finden unsere Freude in dir, o Gott, in deiner Hilfe, in deinem Gesetze, in der Ehrfurcht vor dir. R. Jizchak sagte: Das Wort -^n in dir, hat 22 in der Zahl, womit die zz Buchstaben des hebräischen Alphabets gemeint sind, in der du uns die Thora geschrieben hast (denn a ist 2 und D ist 20).
Wir denken an deine Liebe mehr als an den Wein d. i. wir gedenken deiner durch den Wein der Thora, durch die Vorschriften (Halachot) in Betreff der Pesach-, Wochen- und Laub- hüttenfestfeier. Oder vom Wein der Väter, denn was hat der erste Mensch vor dir, gewirkt, und wer hat vor dir wie Abraham, Jizchak und Jacob gewirkt?
Aufrichtig haben sie dich lieb d. i. wie fest (heilbringend, aufrichtig) und wie mächtig ist deine Barmherzigkeit. R. Ibo sagte: Mit grosser Gradheit haben unsre Väter vor dir verfahren in allem, was sie gethan haben.
R. Chanin sagte: Es heisst s. Gen. zz, 16: „Der Engel Gottes rief Abraham abermals vom Himmel: Ich habe bei mir selbst ge- schworen, weil du dieses gethan hast." Es war die zehnte Prü-
30 Cap. I, 4. 5.
fung und du nennst sie -::T? Wenn er diese nicht auf sich ge- nommen hätte, so hätte er alle früheren vernichtet und verloren. Hieran kannst du sehen, „wie aufrichtig sie dich lieben."
^'. 5. Ich bin schwarz, aber lieblich d. i. ich erscheine schwarz in meinen Thaten, lieblich aber in denen meiner Väter. Die Gemeinde Israel spricht: Ich erscheine schwarz an mir selbst, lieblich an meinem Schöpfer s. Amos Q, 7, wo der Sinn ist: Ihr kommt euch wie Kinder von Mohren vor, mir aber wie die Kin- der Israel, spricht der Ewige.
Oder: Schwarz erschien ich in Aegypten durch Widersp>enstig- keit und Ungehorsam s. Ezech. 20, 8, aber auch lieblich durch das Blut des Pesachlamms und der Beschneidung s. das. 16, 9; schwarz erschien ich am Meere s. Ps. 106, 7, aber auch lieblich, als ich sang Ex. 15, 2: „Das ist mein Gott, ihn will ich erheben"; schwarz erschien ich in Mara s. das. 15, 24, aber auch lieblich s. das. V. 25; schwarz erschien ich in Rephidim s. das. 17, 7, aber auch lieblich s. das. 17, 15; schwarz erschien ich am Horeb s. Ps. 106, ig, aber auch lieblich s. Ex. 24, 3 ; schwarz erschien ich in der Wüste durch Widerspenstigkeit s. das. 78, 40, aber auch lieblich durch Errichtung der Stiftshütte s. Num. g, 15; schwarz erschien ich durch die Be- richterstattung der Kundschafter s. Num. 13, 32, aber auch lieblich in Josua und Caleb s. das. 32, 24; schwarz erschien ich in Schittim durch meine Ausschreitungen s. Num. 25, i, aber auch lieblich durch Pinchas s. Ps. 106, 30; schwarz erschien ich durch Achan, der am Banngut sich vergriff s. Jos. 7, i, aber lieblich durch Josua s. das. V. ig; schwarz erschien ich in den Königen Israels, aber lieblich in den Königen Judas und gar in den Propheten; schwarz erschien ich durch Achab s. Reg. 21, 27. (Wie lange hat dieser gefastet? R. Josua ben Levi sagte: Drei Stunden; wenn er sonst in der dritten Stunde des Tages zu essen pflegte, ass er an diesem Tage erst in der sechsten Stunde und wenn er in der sechsten Stunde zu essen pflegte, ass er an diesem Tage erst in der neunten Stunde s. das. und ging barfuss (üwV d. i. ^T',''). Wie heisst es aber von Jehoram? ,,Und das Volk sah und siehe, er hatte Sacktuch an seinem Leibe unter den Kleidern" s. 2 Reg. 6, 30)''''); schwarz bin ich in den Wochentagen, lieblich aber am Sabbath; schwarz bin ich durch alle Tage des Jahres, Heblich aber am Versöhnungstage; schwarz bin ich in dieser Welt, aber lieblich werde ich in der künftigen Welt sein.
ihr Töchter Jerusalems. Die Rabbinen sagen: Lies nicht abdi"!"* ri:^ Töchter Jerusalems, sondern cVw";"' "'■:'•; Erbauende Jerusalems, worunter die Mitglieder des grossen Synedriums von Israel gemeint sind, welche in ihren Sitzungen über alle vorkom-
*) Vergl. Talmud Jerusch. Sanhedr. X, fol. 28*'.
Cap. I, 5. 31
mende Fragen und Rechtsfälle nachdenken, um sie nach Gerechtig- keit zu entscheiden.
Oder: Jerusalem vird einst nach R. Jochanan die Metropole aller Länder werden. Alles wird ihrer Herrlichkeit zuströmen s. Jos. 15, 47, denn derselbe erklärte das Wort r::nV Ezech. 16, 6 zu erbauen zu Dörfern (•'z-^nDr) und nicht von deinem (~n^'nn73 Nri), sondern von meinem Eingebrachten ('~"*"i ■]'';"ir '^12 nVwS '7':*'2 "^ nV).
R. Bibi sagte im Namen des R. Rüben: Es steht Jes. 54, i geschrieben: .Juble Unfruchtbare I" Kann eine Unfruchtbare jubeln? Allein der Sinn ist dieser: Juble Unfruchtbare, die nicht Kinder für die Hölle geboren hat.
R. Berachja sagte im Namen des R. Samuel bar Nachman: Die Israeliten werden mit einem Weibe verglichen, wie dieses den zehnten Theil vom väterlichen Nachlass erhält und auszieht, so werden auch jene einst die Länder von sieben Völkern, den zehnten Theil von den siebenzig Völkerschaften in Besitz nehmen, und weil sie wie ein Weib geerbt haben, so heisst auch das von ihnen nach ihrem Durchzuge durch das Meer gesungene Lied m"'"d (gen. fem.) s. Ex. 15, I, einst aber werden sie wie ein Mann alle väterlichen Güter erben s. Ezech. 48, 3, darum heisst das Lied, welches sie dann singen werden, nicht weiblich rrdin ni"C, sondern männlich "cnn ■T'd s. Ps. 96, i.
R. Berachja und R. Josua ben Levi sagten: Warum wird denn Israel mit einem Weibe verglichen (s. Jes. 54, i)? Weil, wie bei diesem Tragen (Schwangerschaft) und Entbindung abwechselt, so auch bei Israel nach der Unterjochung die Befreiung folgt, und diese letztere den Schluss bildet, und weil Israel wie das Weib Be- schwerlichkeit hier in dieser Welt zu ertragen hat, so heisst auch das Lied, was es dann singt, n"i"'d (gen. fem.), aber einst, wo es dieser Leiden überhoben sein wird, heisst das Lied T'"«^ (gen. masc.) s. Jes. 26, I.
Wie die Zelte Kedars, wie die Teppiche Salomos.
Wie jene, obgleich sie von aussen garstig, schwarz und lum- pig erscheinen, in ihrem Innern aber Edelsteine und Perlen ber- gen, so auch die Gelehrten (Schüler der Weisen), obgleich sie in dieser Welt hässlich, schwarz (und lumpig) aussehen, so tragen sie doch in sich die Thora, die ganze heilige Schrift, INIischna, Midra- schot, Halachot, Talmud, Thosephta und Haggadot. Wenn du aber annehmen solltest, dass sie, wie die Zelte Kedars, der Waschung nicht bedürfen, so folgt darauf „wie die Teppiche Salomos." Wie diese, wenn sie schmutzig geworden sind, gewaschen werden müssen, so kommt auch für die Israeliten, wenn sie ein ganzes ]ahr hin- durch von Sünden besudelt sind, der Versöhnungstag und reinigt sie s. Lev. 16, 36 vergl. Jes. i, 18. Oder solltest du glauben, dass wie die Zelte Kedars von einem Orte nach dem andern versetzt werden, so sei es auch mit Israel der Fall, so wird gleich hinzu- gefügt: „wie die Teppiche Salomos" d. i, desjenigen, dem der Friede
32 tiap. I, 5. 6.
gehört, der durch das Wort die Welt ins Dasein rief und die, seit- dem dies geschehen, nicht von ihrer Stelle gewichen ist.
R. Elieser ben Jacob legte Jes. 33, 20 dahin aus, dass die Israeliten gleich den Zelten Kedars einst kein Joch zu tragen haben werden. R. Chija erklärte das Wort nv?372ip 26, 13 mit „auf- gerichteter (stolzer) Statur (aufrechtem Gang)", der Furchtlosigkeit verräth.
R. Judan sagte: Wie Joseph an die Zelte Kedars d. i. an die Ismaeliten verkauft wurde s. Gen. 37, 28, und er dann seine Käufer kaufte s. das. 47, 20, so wird es auch denen ergehen, welche Israel in die Gefangenschaft abführen.
V. 6. Seht mich nicht an, dass ich so schwarz bin.
R. Simon begann mit Anknüpfung an Prov. 30, 10. Die Israe- liten werden Knechte genannt s. Lev. 25, 55, ebenso auch die Pro- pheten s. Am. 3, 7. Die Gemeinde Israel spricht zu den Eropheten: Beschämt mich nicht wegen meiner Missgestalt Schwärzej, keiner hat sich mehr an meinen Kindern erfreut als INIose, der, weil er sie Widerspenstige nannte s. Num. 20, 10, nicht in das verheissene Land kam. Es hat sich ferner keiner an meinen Kindern mehr erfreut, als Jesaia und doch, weil er sagte (s. Jes. 6, 5): , .Unter einem Volke unreiner Lippen wohne ich", sprach Gott zu ihm: Das kannst du wohl von dir sagen (s. das. V. 5), aber nicht von deinem Volke. Und was geschah? Es flog einer von den Seraphim zu ihm mit einer glühenden Kohle in seiner Hand (nsil'n iT^m) s. das. V. 6, was nach R. Samuel sagen will: der Mund werde zerschellt (r!2 y'i'^^., T>t yi'^i), der gegen meine Kinder V'erläumderisches spricht. So war es auch mit Elia der Fall, welcher die Israeliten vor Gott an- klagte s. 1 Reg. 19, 14: ,,Die Israeliten haben deinen Bund ver- lassen." Meinen Bund? entgegnete Gott, vielleicht deinen Bund. „Sie haben deine Altäre niedergerissen." Meine Altäre? vielleicht deine Altäre. „Sie haben deine Propheten mit dem Schwerte hin- gewürgt." Meine Propheten, was liegt dir daran? „Ich bin nur übrig geblieben und nun trachten sie nach meiner Seele, sie zu nehmen." Was steht das. ig, 6 geschrieben? „Da er sich um- schaute, stand ein auf Kohlen gebackener Kuchen zu seinen Häupten." Was bedeutet C"s::-? R. Samuel bar Nachman sagt: Der Mund werde zerschellt (nvD 71X"1, HS yi), der gegen meine Kinder Verläumderisches spricht. R. Jochanan berief sich dagegen auf das Orakel wider Damaskus s. Jes. 17, i u. 2: Ausspruch über Damaskus. Siehe Damaskus wird entfernt aus den Städten u. s. w. Verlassen sind die Städte der Aroer I Wie, Elia stand doch in Da- maskus, und der Prophet erwähnt Aroer, liegt nicht diese Stadt im moabitischen Gebiete? Allein es waren in Damaskus 365 Götzen- tempel, soviel wie ein Sonnenjahr Tage zählt. An jedem Tage war der Dienst in einem andern Tempel, aber an einem gewissen Tage fand er in allen statt, an welchem auch die Israeliten Theil nahmen
Cap. I, 6. 23
s. Jud. lO, 6. In dieser Zeit brachte Elia seine verläumderische Anklage vor. Was klagst du die Israeliten an? Klage jene an. Darum erhielt er die Weisung, nach der Wüste von Damaskus zu- rückzukehren s. I Reg. 2g, 15.
R, Abuhu und Resch Lakisch gingen hinauf nach der Land- schaft Cäsarea. Was ist, sprach R. Abuhu zu Resch Lakisch, dass wir nach einer so verrufenen und beschimpften Gegend ziehen? Dieser stieg vom Esel, nahm eine Hand voll Sand und kehrte sie nach dem Munde des R. Abuhu. Dieser fragte: Was soll das? Dich lehren, dass Gott an verläumderischem Munde gegen Israel Missfallen hat
dass mich die Sonne so verbrannt hat.
R. Abba bar Kahana sagte im Namen des R. Chija: Es steht Jerem. 2, 13 geschrieben: „Denn zwei Uebel hat mein Volk be- gangen." Wie, nur zwei, das geschah ja im Uebermasse (bis zu Tausenden).*) Allein es soll dich lehren, dass die eine Sünde, welche sie begangen, so schwer wie zwei wiegt, da sie sich vor Götzen bückten und vor dem Heiligthum sich (unanständig) entblössten vergl. Ezech. 8, 16.
Oder „dass mich die Sonne so verbrannt hat", weil ich Krippen für die Pferde (zum Dienste) für die Sonne eingerichtet habe s. 2 Reg. 23, II.
R. Jizchak legte obige Worte auf den Krieg gegen Midian aus. Du findest, als die Israeliten gegen Midian zu Felde zogen, ging man paarweise zu der Frau (der Krieger), ein Theil russte ihr das Gesicht mit einer Kohle ein, der andere nahm ihr ihre Ringe ab und sie sprach: Sind wir nicht auch Geschöpfe Gottes, ist es recht, dass ihr mit uns so umgehet? Ist's euch nicht genug, sprachen die Israeliten, dass das unsrige von euren Händen genommen wor- den ist, dass die Häupter unseres Volkes vor der Sonne aufgehängt worden sind s. Num. 25, 4 und weshalb? Weil es dem Dienste des Baal Peor sich angeschlossen hat s. das. V, 3.
R. Jizchak erzählte: Eine Städterin hatte eine äthiopische Magd, welche mit einer andern nach einer Quelle ging, um Wasser zu holen. Unterwegs sprach eine zu der andern: Morgen entlässt mein Herr sein Weib und heirathet mich. Warum scheidet er sich von ihr? Weil er berusste (schwarze) Hände an ihr gesehen hat. Du Närrin! entgegnete ihre Gefährtin, möchten deine Ohren hören, was dein Mund spricht. Wenn er sein Weib, das ihm doch gewiss sehr lieb ist, schon darum von sich entfernt, weil er nur eine Stunde lang Russflecken an ihren Händen gesehen hat, wie wird er sich mit dir verbinden, da du schon von Mutterleibe an und am ganzen Körper schwarz bist? Ebenso antworten die Israeliten den Völkern, welche sie necken und sprechen: „Sie haben ihre Ehre gegen einen
*) VergJ. Jerusch. Succa V, fol. 55 c. Wünsche, Midrasch Schir Haschirim.
7^ Cap. I, 6.
Kraut fresbenden Ochsen vertauscht" s. Ps. io6, 20. Wenn wir schon durch diesen kurzen Wahn, sprechen die IsraeHten zu ihnen, eine so grosse Schuld auf uns geladen haben, um wieviel mehr ihr. Ferner sprechen die Israeliten zu den Völkern der Welt: Es ist euch gesagt worden: Wir gleichen einem Königssohne, der zur Stadt hinaus ins Freie ging und die Sonne stach (verwundete) seinen Kopf und sein Gesicht wurde gebräunt, als er wieder in die Stadt kam, wusch und badete er sich und sein Körper und sein Gesicht ward wieder so weiss wie vorher. Ihr aber seid schon von Mutterleibe an verbrannt d. i. seit ihr aus dem Leibe eurer Mutter seid, habt ihr Götzendienst getrieben, denn als eure Mutter mit euch schwanger war, ging sie in den Götzentempel, kniete nieder und betete mit ihrem Sohne gemeinsam den Abgott an.
Meiner Mutter Kinder zürnen mir.
R. Me'ir will unter den •'73N "in nicht die Kinder meiner Mutter, sondern die meiner Nation (^n7:iN "':::) d. i. Dathan und Abiram verstehen, welche den Richter zu heftigem Zorn auch gegen mich erregt haben (denn sie sollen Mose bei Pharao verleumdet haben, dass dieser jenem nach dem Leben trachtete).
Sie haben mich zur Hüterin der Weinberge gesetzt d. i. sie haben mich, spricht Mose, zum Schiedsrichter der Töchter Jethros, meines Schwiegervaters, gemacht, „aber meinen eigenen Weinberg habe ich nicht gehütet" d. i. der Sache meiner Brüder in Aegypten habe ich mich nicht annehmen können.
R. Jose, welcher auch wie der Vorige „die Kinder meiner Na- tion" versteht, denkt an die Kundschafter, welche den Grimm gegen mich angefacht haben und Schuld tragen, dass ich durch zweiund- vierzig Züge in der Wüste aufgehalten und behindert wurde, in das Land Israel einzuziehen, um „meinem Weinberg eine Hüterin zu sein."
Oder unter „den Söhnen meiner Mutter" ist Jerobeam ben Nebat zu verstehen. Dieser hat mich zur Hüterin der Weinberge d. i. des von ihm eingeführten Kälberdienstes gemacht, dass ich in Folge dessen meinen Weinberg, den Priester- und Levitendienst, vernachlässigte.
R. Levi sagte: An dem Tage, an welchem Salomo sich mit der Tochter des ägyptischen Königs Necho vermählte, kam der Engelfürst Michael*), der grosse Herr, vom Himmel herab, steckte ein grosses (langes) Rohr ins Meer, an welches sich von dieser und jener Seite Feuchtigkeit ansetzte, eine Stelle, welche die Form von Walddickicht annahm, und daraus entstand die Stadt Rom.
An dem Tage, an welchem Jerobeam ben Nebat die zwei goldnen Kälber errichtete, wurden zwei Hütten ('|"'E"'^l;) in Rom gebaut, welche einstürzten, wieder hergestellt wurden und abermals
*) Nach Schabbat fol. 56 1^ war es Gabriel vergl. Sanhedr, fol. 2 ib.
Cap. I, 6. 35
wieder einstürzten. Es war aber ein alter Mann dort, Namens Abba Kolon, dieser sagte: Wenn ihr nicht Wasser vom Euphrat holt und damit den Lehm zubereitet und damit baut, wird der Bau keinen Bestand haben. Man sprach: Wer bringt es uns herbei? Abba Kolon erbot sich dazu. Er stellte sich, als wenn er ein Wein- händler {oivoi7t6?.r]v) wäre, zog von einer Stadt nach der andern und von einem Land nach dem andern, bis er endlich den Euphrat erreichte. Als er an das Ziel gekommen war, holte er Wasser aus dem Euphrat, füllte die leeren Weinfässer, knetete damit den Lehm und baute damit und der Bau war dauerhaft. Seitdem hiess es: Jedes Land, das nicht einen Abba Kolon hat, verdient nicht den Namen Land, und die zwei Hütten erhielten den Namen: das baby- lonische Rom.
An dem Tage, an welchem Elia, dessen Andenken in Segen sei, in den Himmel fuhr, wurde ein König in Rom eingesetzt s. I Reg. 22, 48.
Oder: „Die Kinder meiner Mutter" d. i. die Sohne meiner Nation, worunter Achab zu verstehen ist, haben den Richter wider mich aufgebracht, mich zur Hüterin fremder Weinberge d. i. zur Ernährerin Zedekias und seiner Genossen gemacht, dass ich meinen Weinberg d. i. den einen wahren Propheten, den ich gehabt, Mi- chajehu, der bei kümmerlicher Kost erhalten wurde, vernachlässigt habe s. das. V. 27.
Oder die Klage ist gegen Isebel gerichtet, welche die Propheten des Baal und der Aschera mästete und den wahren Propheten Elia mit dem Tode bedrohte s. i Reg. 19, 2.
Oder die Klage geht gegen den König Zedekia, welcher den Paschur ben Malkijah und seine Genossen mästete (unterhielt), aber einen wahren Propheten hatte ich an Jeremja, den er übel behan- delte und kümmerlich mit Gerstenbrod ernährte s. Jerem. 37, 21: ,,Und er gab ihm einen Laib Brot täglich aus der Strasse der Bäcker." Was heisst das? R. Jizchak sagte: Das ist kleienartiges Brot, welches auf der Strasse verkauft wird, denn es war schwarz und mit Gerste vermengt. Meinen Weinberg habe ich nicht gehütet, d. i. weil ich meinen Weinberg nicht gehütet habe.
R. Chija sagte im Namen des R. Jochanan: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Herr der Weltl weil ich es mit einem Opferfladen nicht gehörig nach der Vorschrift (s. Num. 15, 20) im Lande Israel gehalten habe, entrichte ich nun zwei in Syrien, in der Meinung, dass ich für zwei Lohn empfangen werde, allein ich werde nur für einen belohnt werden.
R. Bo sagte im Namen des R. Jochanan: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Weil ich nicht einen Festlag im Lande Israel ge- hörig gehalten habe, feiere ich nun in der Gefangenschaft im Aus- lande zwei Festtage, empfange aber nur Lohn für einen. R. Jocha- nan wandte darauf den Spruch Ezech. 20, 25 an: „Auch ich gab ihnen nicht arute Gesetze."
36 Cap. I, 7.
V. 7. O künde mir, du den meine Seele liebt.
Diesen Satz deutete R. Jehuda bar R. Simon auf Mose, als Gott zu ihm sprach: „Geh, ich sende dich zu Pharao" s. Ex. 3, 10. Wie vermag ich, Herr der Welt! entgegnete Mose, alles dieses aus- zurichten? Wie kann ich für alle diese Volksmengen sorgen, unter welchen so viele Wöchnerinnen, so viele Schwangere und so viele Kinder sich befinden? Wie viele Arten von Nahrungsmitteln hast du für die Wöchnerinnen unter ihnen? wie viele Arten mit Oel bestrichene Brote für die Schwangeren unter ihnen? wie viele Arten von Sangen und Nüssen für die Kinder unter ihnen? Künde mir, wo die Nation, die meine Seele liebt, im Winter weiden, in den Sommertagen und am Mittage, zur Regenzeit, ruhen soll, dass ich nicht hin- und hergehen muss, bei den Heerden meiner Gesellen, dass ich nicht, wie R. Chelbo im Namen des R. Huna bemerkte, dem Trauernden gleiche, der bis an das Kinn gehüllt s. Lev. 13, 45, weinend umhergeht, oder dem Hirten, dem Wölfe in seine Heerde gedrungen sind, der sich in sein Kleid hüllt s. Jerem. 43, 12 und davonschleicht; wenn ich zu deinen Anhängern komme und diese mich nach ihren Heerden fragen, was soll ich ihnen antworten?
R. Berachja legte obige Schriftstelle in Verbindung mit Num. 24, 16 dahin aus, dass Mose vor Gott sprach: Herr der Welt! da du mich aus der Welt nehmen willst, so gieb mir die Hirten an, welche du über deine Kinder setzen wirst, mache mir bekannt, wie und wo die Nation, welche meine Seele liebt und für die ich mein Leben hingeben möchte, in den Tagen der Gewaltherrschaft weidet, wo sie in der INIittagsgluth, in der Knechtschaft ruht, denn warum soll ich sein wie eine Verhüllte? R. Asarja sagte: Das Wort n?:bw' bedeutet: dass ich nicht etwas thue, was in den Augen deiner Genossen für ihre Heerden eine Entweihung Gottes ist, weil deine Kinder in bedrängtem Zustande sind, während die Heerden deiner Genossen sich in Behaglichkeit befinden? R. Judan bar Simon sagte: Damit nicht die Völker sprechen: Es fehlte die Gerechtigkeit, er wusste, dass er sie in der Wüste schlachten wollte, darum schlachtete er sie in der Wüste s. Num. 14, 16. Die Rabbinen sagen: Damit deine Kinder nicht die wahre Noth erleben, von dir sich abwenden und den Heerden deiner Genossen folgen, wie Ps. 94, 20 geschrieben steht. Darauf sprach Gott zu Mose: Du fragst, wo und wie mein Volk einst weiden und weilen wird? Bei deinem Leben I wenn du nicht dein Ende weisst, was dir doch bekannt zu geben ist, wie es heisst: ,,Wenn du es nicht weisst, du schönste unter den Frauen." Oder: „Wenn du es nicht weisst", du schönster und hervorragendster unter den Propheten. R. Jose bar Jeremja sagte: Warum werden die Propheten mit Frauen verglichen? Um dir zu sagen, sowie die Frau sich nicht schämt, die Bedürfnisse ihres Hauses von ihrem Manne zu erbitten, ebenso schämen sich auch die Propheten nicht, die Bedürfnisse der Israeliten von ihrem Vater im Himmel zu erbitten.
Cap. I, 8. 9. yj
V. 8. So gehe doch den Spuren der Schafe nach.
R. Elieser sagte: Von dem Kuchen, welchen die Israeliten aus Aegypten mitgenommen hatten, zehrten sie 31 Tage (nämlich vom 15. des Nisan bis zum 15. des Ijar), denn R. Schila hat gesagt: Zweiundsechzig INIahlzeiten machten sie davon, woran du erkennen kannst, was in der Folge ich noch für sie thun werde s. Ps. 72, 16. R. Akiba sagte: Gott sprach: An den Wolken der Herrlichkeit, mit denen ich sie umgab s. Ex. 13, 22, kannst du erkennen, was ich einst noch für sie thun werde s. Jes. 4, 6.
Die Rabbinen sagten: An der Speise, mit welcher ich sie in der Wüste versorgt habe, die wohlschmeckender als Honig und Milch war, kannst du sehen, was ich ferner für sie thun werde s. Joel 4, 18.
Oder: ,, Folge den Spuren der Schafe" d. i. die Schafe haben voran zu gehen und du hast hinter ihnen herzugehen. Mose war nicht etwa nachlässig, nein, während die Israeliten mit der Beute beschäftigt waren, führte er Josephs letzten Willen pflichtmässig aus s. Ex. 13, 19.
Oder der Sinn obiger Worte ist dieser: Das Geschlecht wird endlich umkommen und du wirst ein gleiches Geschick erfahren. Woraus konnte er das schliessen? Vom Dornbusche, sagte R. Sa- muel bar Nachman, denn an allen sieben Tagen redete Gott dem Mose zu, dass er die Sendung nach Aegypten übernehme, Mose sträubte sich aber und machte Gegenvorstellungen s. Ex. 4, 10 und zuletzt sagte er: „Sende, wen du willst." Bei deinem Leben! er- wiederte Gott, ich werde dich in deine Flügel verwickeln. Und wann bezahlte Gott es ihm? R, Berachja sagte: An den sieben Tagen der Einweihung versah Mose das Hohepriesteramt in der Meinung, es gehöre ihm, es wurde ihm aber endlich eröffnet: Das Amt soll deinem Bruder Aaron sein s. Lev. 9, i. R. Chelbo sagte: An den sieben Tagen des Monats Adar flehte Mose zu Gott, er möchte ihn in das verheissene Land kommen lassen, zuletzt wurde ihm jedoch eröffnet: Du sollst nicht über diesen Jordan gehen s. Deut. 3, 27.
Und weide deine Zicklein d. i. die Zicklein (die jungen), nicht aber die Böcke (die alten) sollen in das Land kommen.
bei den Wohnungen der Hirten.
Geh, sprach Gott zu ihm, wie lange willst du bei meinem Volke bleiben und es weiden bei den Wohnungen der Hirten gegen diese Dornen — Sichon und Og.
V. 9. Einem Rosse am Gespanne Pharaos vergleiche ich dich, meine Freundin.
R. Papus lehrte mit Anknüpfung an Hi. it,, 13: Gegen den, der einzig und allein alle Weltbewohner richtet, der da sprach und die Welt ward, lässt sich nicht ein Einwand erheben. Damit hast du genug gesagt, Papus, sprach R. Akiba zu ihm, weil alles in der Wahrheit, im Rechte begründet ist, wie es Jes. 6, i heisst: „Er sitzt auf einem hohen und erhabnen Thron" d. i. der Thron, welcher
38 Cap. I, 9.
nach R. Simon zwischen Tod und Leben scheidet, „und alle Him- melsschaaren stehen zu seiner Rechten und Linken." Giebt es denn oben eine Linke, ist nicht alles zur Rechten (s. Ex. 15, 6)? Es sind damit die Geister gemeint, von denen die zur Rechten für: nicht schuldig! und die zur Linken für: schuldig stimmen.
R. Jochanan führte im Namen des R. Acha Daniel 10, i als Beweis an, wo gleichsam gesagt ist: Wahrheit ist das Wort (päN imn), wenn es ein grosser Ausspruch geworden ist, wie Jerem. 10, 10 geschrieben steht: „Der Ewige ist ein Gott der Wahrheit." Was ist Wahrheit? R. Ibun sagt: dass er ein lebendiger Gott, ein ewiger König ist. Ueberall, wo r:i!T' gesagt ist, bemerkte R. Eleasar, ist Gott und sein Gerichtshof gemeint. Als Hauptbeweis dafür kann I Reg. 22, 23 und Jerem. 11, 17 gelten. Wie wendet aber R. Eleasar den von Papus angeführten Vers aus Hiob an? Auf diese Weise: Er allein und kein Geschöpf mit ihm untersiegelt für alle Welt- bewohner. Welches i-t Gottes Siegel? R. Bibi im Namen des R. Rüben sagte: Die Wahrheit s. Dan. 10, 21: „Doch will ich dir be- richten, was verzeichnet ist im Buche der Wahrheit." Wenn es Wahrheit (n73N) ist, wozu dann noch „verzeichnet (zrC")", und wenn es „verzeichnet^' ist, warum noch der Ausdruck ,, Wahrheit?" Allein das Urtheil ist erst dann Wahrheit, wenn es untersiegelt ist. R. Lakisch sagte: Das Wort n73N ist darum aus dem ersten (n), mittelsten (?:) und letzten Buchstaben (n) des Alphabets zusammengesetzt, um damit anzudeuten: „Ich bin der Erste, ich bin der Letzte und ausser mir ist kein Gott" s. Jes. 44, 6; ich bin der Erste, weil ich meine Herrschaft nicht von einem andern in der Welt empfangen habe, und ich bin der Letzte, weil ich sie auch nicht auf einen andern übertrage, und ausser mir ist kein Gott, weil ich sie nicht mit einem zweiten theile.
Papus hielt ferner einen Vortrag über Gen. 3, 22 in der Weise: Nun ist Adam wie der Einzige der Welt (cbiy bc ttti"'-) geworden!*) Du hast genug gesagt, Papus, rief ihm R. Akiba zu, und jener fragte ihn: Wie verstehst du die Worte? Er ist wie einer der Dienst- engel geworden. Die Weisen stimmen weder jenem noch diesem bei, es soll vielmehr mit den angeführten Schriftworten gelehrt werden, dass Gott dem Adam zwei Wege eröffnete, den Weg des Lebens und den Weg des Todes, und er wählte sich den Weg des Todes und liess den Weg des Lebens bei Seite.
Ferner hielt R. Papus einen Vortrag über Ps. 106, 20: „Und sie vertauschten ihre Ehre mit dem Bildniss eines Ochsen, der Gras frisst." Wozu der Zusatz: „Der Gras frisst"? Weil ich sonst unter dem Ochsen einen von den oberen (heiligen) Thieren {'^^vn bd "rdz) verstehen könnte. Genug, Papus! rief ihm R. Akiba zu. Wie be- gründest du jenen Vers? entgegnete Papus. Ohne jenen Zusatz würde ich einen ganz gewöhnlichen Ochsen verstehen. Darum folgt
*) Vergl. Midr. Beresch. r. Par. 21.
Cap. I, 9. 39
die nähere Bezeichnung: „Der Gras frisst." Es giebt kein grösseres Scheusal, wie einen Ochsen in der Stunde, wo er Gras frisst. Die Bilderschriftkenner Aegyptens, sagte R. Judan im Namen des R. Acha, trieben Zauberkünste mit ihm, dass er vor ihnen zu erbeben schien vergl. Jerem. 49, 24, wo das Wort r;ü1 steht.
Ferner hielt R, Papus einen Vortrag über den obigen Vers des Hohenliedes, welchen er, weil er das Wort Tcob ohne 1 las, dahin erklärte: Gott spricht: Sowie ich mich über den Untergang der Aegypter gefreut habe, so freue ich mich auch über den Untergang der Feinde*) Israels. Und wer verursachte, dass sie gerettet wurden „aus ihrer Rechten und aus ihrer Linken?" (Aus ihrer Rechten) wegen der Thora, die sie einst aus der Rechten Gottes empfangen sollten s. Deut. 33, 2: „Zu seiner Rechten Feuer, ihnen zum Gesetz." Und aus ihrer Linken wegen der Mesusa (die sie zu ihrer Linken haben werden . Oder: Aus ihrer Rechten d. i. das Keriath Schema s. Deut. 6, 4 und aus ihrer Linken d. i. das Gebet. Genug, mit deiner Deutung, Papus! rief ihm R. Akiba zu, an jener Stelle steht das Wort t^'w-C mit Vi geschrieben, hier aber mit ~. Was verstehst du unter dem Worte? Ich verstehe darunter die Stute am Gespann Pharaos. Allein Pharao ritt auf einem Hengste, und Gott sollte sich auf keinem Hengste offenbaren, es heisst doch Ps. 18, 11: „Er fuhr auf dem Cherub und flog." Pharao sprach nämlich: Weil der Hengst seinen Herrn im Kampfe ums Leben bringt, darum ritt er auf einer Stute. Dann bestieg Pharao ein rothes (braunes), weisses oder schwarzes Ross, sollte Gott auf keinem rothen, weissen oder schwarzen Ross erscheinen, von dem es doch heisst Hab. 3, 15: „Du fährst durchs Meer mit deinen Rossen" d. i. mit vielfarbigen Rossen. Wie der ruchlose Pharao mit Panzer und Helm gerüstet auszog, so auch Gott s. Jes. 59, 17; Pharao brachte Naphta, Gott brachte glühende Kohlen s. Jes. 18, 13; Pharao führte Wurfsteine als grosses Geschütz mit sich, Gott aber schleuderte mit Hagel s. Ex. 9, 2^, Pharao rückte mit Schwertern und Lanzen bewaflfnet aus, Gott schoss Blitze s. Ps. 18, 16; Pharao sandte Pfeile ab, ebenso Gott s. das. V. 15. R. Levi sagte: Gott sandte Pfeile und zer- streute sie d. i. seine Pfeile zerstreuten die Pfeile Pharaos „und Blitze schoss er und brachte sie in Wirrwarr" d. i. sie vermischten sigh mit den Pfeilen der Feinde. Gott nahm ferner die Feldzeichen des Feindes und sie wussten nicht, was sie thun sollten. Pharao zog geharnischt aus, ebenso auch Gott s. Jes. 42, 13; Pharao don- nerte, ebenso auch Gott s. 2 Sam. 22, 14; Pharao zog zornentbrannt aus, ebenso auch Gott s. Hab. 3, 12; Pharao zog mit Bogen und Schild gerüstet aus, ebenso auch Gott s. das. V. 11. R. Berachja im Namen des R. Samuel bar Nachman sagte: Nachdem Pharao alle seine Waffengeräthe erschöpft hatte, fing Gott an, sich gegen ihn
*) Die Ed. Yen. hat hier eine Censurlücke, welche die späteren Aus- gaben mit rr.'K:'» ausgefüllt haben.
40 Cap. I, 9.
ZU erheben. Er sprach nämlich zu ihm: Stehen dir, Frevler, auch Winde, Cherubim und Flügel zu Gebote? Woher nahm Gott diese? Nach R. Judan von den Rädern des göttlichen Thronwagens, er machte sie los und warf sie über das Meer. R. Chanina bar Papa sagte: Der Mensch reitet auf seinem Laslthier auf etwas, an dem etwas Wesentliches ist, allein Gott trägt seinen Reiter und reitet auf etwas, an dem nichts Wesentliches ist s. Ps. 18, 11. Hier heisst es NT'") er flog, 2 Sam. 22, 11 aber heisst es N"!"") er erschien, wie ist die Differenz dieser zwei Schriftstellen auszugleichen? Daraus ist zu schliessen, sagte R. Acha, dass Gott Welten hatte, in welchen er sich zeigen wollte.
ich vergleiche dich, meine Freundin.
R. Elieser sagte: Gleich einer Königstochter, die in Gefangen- schaft gerathen war und die ihr Vater loskaufen wollte, sie winkte aber denen, die sie gefangen genommen hatten und sprach zu ihnen: Ich gehöre euch an, ich folge euch überall hin. Glaubst du denn, sprach ihr Vater zu ihr, dass ich dich nicht zu befreien vermag? Schweig (n?2'n)! Ebenso winkten die Israeliten, als sie am Meere lagerten und sich von den Aegyptern verfolgt und erreicht sahen s. Ex. 14, 14, diesen aus Furcht und sprachen zu ihnen: Wir er- geben uns euch, folgen euch überall hin, allein Gott sprach zu ihnen: Glaubt ihr, dass ich euch nicht befreien kann? Schweiget! Heisst es nicht das. V. 14: „Der Ewige wird für euch streiten, und ihr sollt schweigen (ruhig sein)?"
Oder die Rabbinen sagen: Weil die Israeliten (hier) mit Stuten, die ruchlosen Aegypter aber mit schmutzigen Hengsten verglichen werden, die ihnen nachliefen, bis sie im Meere untersanken. R. Si- meon aber sagte: Bewahrel nicht die Israeliten, sondern die Meeres- wogen glichen den Stuten, denen die Aegypter, die schmutzigen Hengste, nachliefen, bis sie im Meere untersanken. Da sprach der Aegypter zu seinem Rosse: Gestern lenkte ich dich zum Nil hin und du folgtest mir nicht, jetzt stürzest du mich ins Meer, und das Ross sprach zu seinem Reiter: Herab ins Meer d. i. siehe, was im Meere ist (ntt'^ = D^n rr^a ."nN"!), ein Angriff (c-0'n2S, hiLd^f.oi<i) geschieht gegen euch im Meere!
Von R. Ismael ist gelehrt worden: Es stehet Ex. 14, 27 ge- schrieben: „Der Ewige schüttete die Aegypter in die Mitte des Mee- res", daraus geht hervor, das Pferd warf seinen Reiter in die Höhe, dieser fiel herab und jenes ging über ihn hinweg, ungefähr so wie einer, der einen Topf ausschüttet, bemerkte R. Levi, wo das Untere nach oben steigt und das Obere nach unten stürzt.
Meine Freundin. Was heisst das? R. Jonathan versteht darunter: meine Versorgerinnen (\-iD:"id73), die mich an jedem Tage mit den zwei beständigen Opfern s. Num. 28, 48 versehen; denn R. Jehuda bar Simon hat gesagt: Zwei beständige Opfer brachten die Israeliten an jedem Tage dar, das eine am IMorgen und das andere in der Dämmerung (eig. zwischen den beiden Abenden). Das Mor-
Cap. I, 9. 10. 41
genopfer wurde dargebracht für die des Nachts begangenen und das Abendopfer für die am Tage begangenen Sünden, so dass kein Mensch in Jerusalem übernachtete, welcher von einer Schuld belastet war s. Jes. i, 21.
Die Rabbinen legten die Worte: „Ich vergleiche dich, meine Freundin" dahin aus: Die Erhalterin meiner Welt, weil sie meine Thora angenommen haben, denn wenn sie dieselbe nicht angenom- men hätten, -so würde ich meine Welt wieder in Oede und Leere verwandelt haben, denn R. Chanina im Namen des R. Acha hat die Worte Ps. 75, 4: „Es bebet die Erde und alle ihre Bewohner, ich stelle ihr feste Säulen", auf diese Weise ausgelegt: Wenn die Israe- liten, als sie am Berge Sinai standen, nicht gesprochen hätten: „Alles, was der Ewige geredet, wollen wir thun und gehorchen" s. Ex. 24, 7, so wäre die Welt wieder in Oede und Leere zerflossen, und wer befestigte sie durch ein Fundament? „Ich befestigte ihre Stützen" und zwar im Verdienste des mit den Worten: „Ich bin der Ewige, dein Gott" beginnenden Decalogs s. das. 20, 2.
V. 10. Deine Wangen stehen lieblich in den Ketten.
Sowie diese Wangen nur zum Reden geschaffen sind, so sind auch Mose und Aaron nur zum Reden geschaffen worden, nämlich zum Vortrage der beiden Gesetze (nTiin Ti;!::}), des geschriebenen und mündlichen, oder zum Vortrage der vielfachen Verordnungen (na'iin rrninn), die Lev. 6, i. 11. 37 angegeben sind. Oder a-^lirn geht auf die beiden Gestalten (a'lin "^rca) d. i. auf die beiden Brüder Mose und Aaron, die gut zu einander passten (nm^ü ""iNind nr by nr, eig. deren Form trefflich w^ar, die eine zur andern) und der eine freute sich über die Grösse des andern.
R. Pinchas sagte: Es steht Ex. 4, 6 geschrieben: „Er (Aaron) soll für dich zum Volke reden, er soll dein Mund und du sollst ihm zum Gott sein." Sollte denn Mose ein Abgott für Aaron sein, dass du sagst: Und du sollst ihm zum Gott sein? Nein, Gott sprach zu Mose: Mose, sowie du mich verehrst, so soll dein Bruder dich verehren. Allein Mose verhielt sich anders, wie es heisst das. V. 29 u. 30: ,,Und Mose und Aaron gingen und versammelten die Aeltesten der Kinder Israels und Aaron redete alle diese Worte" d. i. er stellte sich seinem Bruder gleich (eig. er schlug seine Schulter auf die Schulter seines Bruders), weil der eine sich über die Grösse des andern freute. Woher lässt sich aber beweisen, dass Aaron über Moses Grösse sich gefreut hat? Weil es heisst das. V. 14: „Er geht dir entgegen und wird dich sehen und sich freuen in seinem Herzen."
R. Simeon ben Jochai hat gelehrt: Das Herz, welches über die hohe Würde Moses, seines Bruders, so erfreut war, sollte dann auch mit den Urim und Thummim bekleidet werden s. Ex. 28, 2g. 30. Dass aber auch Mose über die hervorragende Stellung Aarons sich gefreut hat, ist aus Ps. 132, 2 zu schliessen, wo zwei Barte erwähnt
A2 Cap, r, 10.
werden, welche doch Aaron, wie R. Acha bemerkt, nicht gehabt haben kann. Der Sinn der Stelle muss daher dieser sein: Als Mose das Salböl auf den Bart seines Bruders Aaron herabfliessen sah, war es ihm, als wenn das Oel auf seinen Bart herabflösse und er freute sich. Darum also heisst es: ,,auf den Bart, den Bart Aarons."
Dein Hals in Perlenschnüren.
Unter CTinn sind die 70 Mitglieder des Synedriums zu ver- stehen, welche wie einen Faden mit aufgezogenen Perlen (die Ge- setzlehrcn) aneinander reihten. Oder unter ,,den Wangen in Ketten" sind die Schrift- und Mischnakundigen und die redlichen Schullehrer und unter „den Perlenschnüren" die Kinder zu verstehen. Oder unter jenen sind die Rabbinen und unter diesen die Schüler zu verstehen, welche ihre Hälse aneinander reihen (d. i. Kopf an Kopf sitzen), um die Worte der Thora (von den Gelehrten) zu vernehmen, wie ein Mensch, der noch nie die Worte des Gesetzes vernommen hat.
Oder mit „den Wangen in Ketten" werden die bezeichnet, welche die Halacha gegeneinander eifrig erörtern, wie z. B. Abba bar Mimi und seine Genossen und unter „dem Halse in Perlen- schnüren" ist die Unterrichtsweise zu verstehen, wenn sie die Worte der Thora aneinanderreihen und von den Worten der Thora auf die Propheten und von den Propheten auf die Hagiographen über- gehen und das Feuer um sie herum flammt und die Worte eine solche Freude erregen, wie damals, als sie vom Berge Sinai aus dem Feuer gegeben wurden s. Deut. 4, ii.
Ben Asai sass und hielt Lehrvorträge, die Flammen um ihn her verbreiteten. Dieses wurde dem R. Akiba hinterbracht und er befragte deshalb den Ben Asai darüber, welcher den Vorgang nicht in Abrede stellte. Warst du vielleicht, fragte ihn R. Akiba, über die Geheimnisse der Merkaba (n:2D":?2 """nnn des göttlichen Thron- wagens) in den Gesichten Ezechiels beschäftigt? Nein, ich reihte die Worte des Pentateuchs aneinander, kam von da auf die Propheten und von den Propheten auf die Hagiographen, auf diese Weise er- freuten (leuchteten) die Worte so wie damals, als sie vom Sinai ge- geben wurden, der doch bei der Gesetzgebung im Feuer stand s. Deut. 6, II.
R. Abuhu hielt Vorträge von gleicher Wirkung. Vielleicht, sprach er, reihe ich nicht nur die Worte der Thora nach ihrer Ordnung aneinander, denn R. Levi hat gesagt: Mancher versteht (die Perlen) aneinander zu reihen, versteht aber nicht sie kunstfertig zu durchbohren, mancher wiederum versteht sie zu durchbohren, aber nicht sie aneinander zu reihen, ich hingegen war stets ebenso geschickt im Anreihen, wie im Durchbohren der Perlen (d. i. ich verstand die Gesetzlehren nicht nur zusammenzustellen, sondern auch für die Praxis gefügig zu machen).
Oder die Worte: „Lieblich sind deine Wangen in den Ketten" lassen sich auf die Zeit anwenden, wo die Worte der Thora mit ihren Verordnungen zum Vortrag kommen, wie z. B. die
Cap. I, 10. II. ^-i
Halachot des Pesach am Pesach, die Halachot des Versammlungs- festes am Versammlungsfeste und die Halachot des Laubhüttenfestes am Laubhüttenfeste vergl. Esth. 2, 12.
„Dein Hals in Perlenschnüren." Nach R. Levi im Namen des R. Chama bar R. Chanina sind darunter die Abschnitte der Thora gemeint, welche trefflich aneinander gereiht sind, sich einander er- gänzen und zueinander überspringen, sich ähneln und miteinander verwandt sind. R. Menachma führt als Beispiel Num. 26, 53 und 27, I — 7. 12 an, wo der Zusammenhang dieser ist: In dem ersten Kapitel wird die Vertheilungsweise des Landes vorgeschrieben, gegen welche die Töchter Zelaphchads Vorstellungen machten, um auch für sich ihren Theil zu nehmen und was Mose nicht zu entscheiden wusste, weshalb er sich um Belehrung an Gott wandte s. das. V. 5. Dieser sprach zu ihm: Du entziehest dich dem gerechten Anspruch, vor mir giebt es kein Entziehen, „besteige den Berg Abarim", be- sieh das Land, das ich den Israeliten geben will, „du sollst aber nicht hineinkommen" s. das. 7, 12. 13. Herr der Weltl wenn du mich aus der Welt nehmen willst, entgegnete Mose, so mache mir die bekannt, welche du zu Verwesern der Israeliten bestellst! Du willst mir, fuhr Gott fort, wegen meiner Kinder, meines Händewerkes, Befehle ertheilen? Ertheile solche meinen Kindern! Hierauf folgt Cap. 28. Es verhält sich wie mit der Gemahlin eines Königs, welche im Begriffe war, aus der Welt zu scheiden. Mein Herr und König! sprach sie zu ihm, ich will dir nun Verhaltungsmassregeln gegen meine Kinder geben. Wie, erwiederte er, du willst mir Befehle wegen , meiner Kinder ertheilen, gieb solche meinen Kindern (die sie gegen mich beobachten sollen). So sprach auch Mose vor Gott (in seiner Sterbestunde): Herr der Welt! du willst mich aus der Welt nehmen, mache mir die Verweser kund, die du über die Israeliten setzen willst.
V. II. Wir wollen dir goldene Kettchen machen m.it silbernen Pünktlein.
Unter „den goldenen Ketten" ist die Beute am Meere, unter „den silbernen Pünktlein" ist die in Aegypten gemachte Beute zu verstehen, sowie ein Unterschied besteht zwischen Silber und Gold, so ist auch die Beute am Meere vorzüglicher, als die Beute in Aegypten. Vergl. Ezech. 16, 7 (wo unter """ira ebenfalls die Beute in Aegypten und unter c^"? die Beute am Meere zu verstehen ist).
Oder „die goldenen Kettchen" bedeuten das Gesetz, welches der Sturmwind mit dem Willen Gottes gelehrt hat, und „die silbernen Pünktlein" bedeuten, wie Abba bar Kahana meint, die Buchstaben oder wie R. Acha sagt, die Worte.
Oder unter ,,den goldenen Kettchen" ist die Schrift und unter „den silbernen Pünktlein" die Linie gemeint.
Oder unter ,,den goldenen Kettchen" ist die Stiftshütte gemeint s. Ex. 26, 29 und unter „den silbernen Pünktlein" sind die Säulen und Stangen zu verstehen, welche von Silber waren s. das. 27, 10.
44 Cap. I, II. 12.
R. Berachja legte den Vers auf die Bundeslade aus, und zwar deuten „die goldenen Kettchen" insofern auf die Bundeslade hin, als dieselbe mit Gold überzogen war s. das. 25, 24 und ,,die silber- nen Pünktlein" gehen auf die aus Silber gemachten Säulen, die gleichsam eine Art Altan (Niir:DN orißddiov einen balkonartigen Vorsprung) bildeten.
Wie war denn die Lade gemacht? R. Chanina sagte: Es wurden drei Küsten gemacht, zwei aus Gold und eine aus Holz, die hölzerne wurde auf die goldene gesetzt und die goldene auf die hölzerne und der äusserste Rand mit Gold belegt. Resch Lakisch aber sagte: Es war nur eine Kiste, welche von Innen und von Aussen mit Gold überzogen war s. Ex. 25, 11. Wie wendet nun R. Chanina die Beweisstelle des Resch Lakisch an? R. Pinchas sagt: Er meint, dass der Rand zwischen dem einen und dem andern Brette mit Gold befestigt war. R. Jehuda bar Rabbi sagte: Unter ,,den goldenen Kettchen" ist das Gesetz, unter den „Perlenschnüren" sind die Propheten, oder unter den „goldenen Kettchen" sind die Hagiographen, unter „den silbernen Pünktlein" ist das Hohelied zu verstehen. Das ist eine geschlossene und voll- endete Rede.
V. 12. Bis zum Gelage des Königs gab meine Narde ihren Duft.
R. Meir sagte: Bis zum König aller Könige, Gott, dem Hoch- preislichen in seinem himmlischen Sitze verbreitete Israel durch das angebetete Kalb s. Ex. 32, 8 einen üblen Geruch. Genug, Meir! rief ihm R. Jehuda entrüstet zu, das Hohelied wird nicht zur Schande, sondern nur zum Ruhm für Israel gedeutet und zwar auf diese Weise: Bis zum Könige aller Könige, Gott, dem Hochpreis- lichen in seinem himmlischen Sitze drang der Duft, als Israel vor dem Berge Sinai sprach Ex. 24, 7: „Alles, was der Ewige gesprochen, wollen wir thun und gehorchen." Wie kam denn R. Meir auf eine so üble Auffassung? Durch eine Ueberlieferung (Masechtha), welche aus dem Exil herrührte, in der es hiess: Um die Fertigung des goldenen Kalbes zu verhindern, wurde die Stiftshütte erbaut.
R. Elieser erklärte den Vers auf diese Weise: Als der König aller Könige, Gott, der Hochpreisliche in seinem himmlischen Sitze (in den höchsten Sphären) sich noch befand, stand schon der Berg Sinai in Flammen s. Deut. 4, 11. R. Akiba sagte: Als der König der Könige, Gott, der Hochpreisliche sich in seinem himmlischen Sitze befand, hatte schon die Herrlichkeit des Ewigen sich auf den Berg Sinai niedergelassen s. Ex. 24, 16. R. Berachja sagte: Als Mose, der König genannt wird s. Deut. 33, 5, sich in göttlicher Umgebung befand, hatte Gott schon „alle diese Worte" (die zehn Gebote) s. Ex. 20, i, gesprochen. R. Elieser ben Jacob sagte: Als der König der Könige, Gott, der Hochpreisliche noch in seinem himmlischen Kreise sich befand, war schon der Engelfürst Michael
Cap. I, 12. 45
vom Himmel herabgekommen und hatte unseren Vater Abraham aus dem Gluthofen gerettet. Die Rabbinen sagen: Gott stieg herab, um ihn zu retten s. Gen. 15, 7. Wann kam Michael herab? In den Tagen Chananjas, Mischaels und Asarjas.
R. Tabjumi sagte: Als unser Vater Jacob noch auf seinem Bette lag, sprach der heilige Geist aus ihm in den Worten zu seinen Kindern: „Gott wird mit euch sein" s. Gen. 48, 21 d. i. er wird seine Schechina unter euch ruhen lassen.
R. Nachman sagte: Es steht Gen. 46, i geschrieben: „Israel (d. i. Jacob) brach auf mit allem, was er hatte und kam nach Ber- seba." Wohin ging er? Um die Cedern zu fällen, die unser Vater Abraham in Berseba gepflanzt hatte s. Gen. 2i, 33. Von daher, sagte R. Levi, kamen die dreissig Ellen langen Bretter, die für den Augenblick zum Bau der Stiftshütte gebraucht wurden s. Ex. 26, 15. 16.
R. Levi bar Chija sagte: Die Akazienbäume wurden in Mag- dela Zibaja (der Färber) gefällt nach Aegypten gebracht und hatten weder Knoten noch Spalt. Solche Bäume befanden sich noch an dem erwähnten Ort, die man aber aus Rücksicht wegen der Heilig- keit der von ihnen gemachten Bundeslade nicht zu gemeinen Zwecken verwenden sollte. Es fragten dieserhalb den Rab Chananja die Ge- nossen der Rabbinen und er that den Ausspruch: Aendert nicht die Sitte eurer Väter!
R. Pinchas erklärte im Namen des R. Hosaja obigen Vers dahin: Während der König aller Könige, Gott, der Hochpreisliche in seinem himmlischen Kreise noch weilte, waren schon am dritten Tage mit Tagesanbruch Donnerstimmen, Blitze, schweres Gewölk und starker Posaunenschall auf dem Berge Sinai wahrzunehmen s. Ex. 19, 16. Gleich einem Könige, welcher seinen Entschluss bekannt werden Hess, dass er an einem bestimmten Tage in der Provinz eintreffen werde, allein er fand bei seiner Ankunft die Einwohner die ganze Nacht in Schlaf versunken und er Hess Trompeten und Posaunen erschallen. Da weckte der Statthalter sie und führte sie dem König entgegen, und derselbe ging vor ihnen her, bis er an seinem Palaste anlangte. So hatte auch Gott bekannt gemacht, dass er am dritten Tage sich vor den Augen des Volkes herablassen werde s. das. V. ii. Die Israeliten schliefen die ganze Nacht in Folge deren Kürze und der angenehmen Feststimmung so, dass sie, wie R. Judan bemerkt, sogar die Flohstiche nicht empfanden. Da kam Gott und fand sie schlafend und er weckte sie durch Trom- peten und Donnerstimmen, und I\Iose führte sie darauf dem König der Könige, Gott, dem Hochpreislichen entgegen s. V. 17, welcher nun vor ihnen herzog, bis er an den Berg Sinai gelangte s. V. 18. R. Jizchak sagte: Diesen Leichtsinn wirft Jesaia ihnen mit den Worten vor (s. Jes. 50, 2): „Warum kam ich und fand niemand, rief und niemand antwortete" u. s. w.
R. Judan sagte: Als Chiskia und sein Collegium ihre Pesach- lämmer in Jerusalem verzehrten, hatte Gott schon den Engel in der
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Nacht gesandt, welcher eine grosse Niederlage im assyrischen Lager anrichtete s. Jes. 37, 36.
R. Abuhu sagte: Während Mose und die Israeliten ihre Pesach- lämmer noch in Aegypten assen, hatte der Ewige schon alle Erst- gebornen der Aegypter erschlagen s. Ex. 12, 29. Da dieses Blut nach der Meinung des R. Abuhu (welche mit der des R. Meir s. oben, übereinstimmt) einen unerträglichen Geruch verursachte, liess Gott einen Duft aus dem würzigen Garten Eden sich verbreiten, dass die Israeliten Esslust verspürten und zu Mose sprachen: Mose, unser Lehrer! gieb uns etwas zu essen. Mose antwortete s. das. V. 43: „So hat Gott mir gesagt: Kein Fremdling soll davon (vom Pesach) essen." Sie entfernten alle Fremdlinge aus ihrer Mitte und wollten nun essen. Sie sprachen: Mose, unser Lehrer! gieb uns etwas zu essen. Allein Mose entgegnete ihnen: So hat Gott mir gesagt s. das. V. 44: ,. Jeder für Geld gekaufte Knecht muss erst beschnitten werden, dann mag er essen." Als sie auch dieser Vor- schrift genügt und ihre Knechte beschnitten hatten, bekamen sie Lust zu essen, sie wiederholten daher ihre Bitte: Mose, unser Leh- rer! gieb uns etwas zu essen. Mose sprach zu ihnen: Gott hat mir kurz (in Summa) gesagt s. das. V. 48: „Kein Unbeschnittener darf davon essen." Jeder legte hierauf sein Schwert an seine Hüfte und beschnitt sich. Wer hat sie beschnitten? R. Berachja sagte: Mose machte den Schnitt, Aaron riss und Josua gab zu trinken aus dem geweihten Becher. Nach anderen beschnitt Josua und Aaron riss und Mose reichte den geweihten Becher s. Jos. 5, 2. Warum heisst es: „Zum zweitenmal?" Weil er sie bereits das erstemal beschnitten hatte. „Da machte sich Josua scharfe Messer und beschnitt die Kinder Israels am Hügel Araloth (der Vorhäute) s. das. V. 3. Warum am Hügel Araloth? R. Bibi sagte: Weil sie mit den Vorhäuten einen Hügel gemacht hatten.
y. 13. Ein Myrrhenbündel ist mir mein Geliebter.
R. Asarja deutete im Namen des R. Jehuda diesen Vers auf unsern Vater Abraham. Wie diese Myrrhe die erste (beste) aller Gewürzarten ist, so war auch Abraham das Haupt aller Gerechten; wie diese Myrrhe nur im Lichte duftet, so wurden auch Abrahams Thaten erst dann bekannt, als er in den Gluthofen geworfen worden war, und wie nach der Myrrhe die Hände desjenigen bitter riechen, der sie aufliest, so hat auch Abraham sich das Leben verbittert und durch Leiden gepeinigt.
das zwischen meinen Brüsten übernachtet.
Abraham erschien gleichsam als Vermittler zwischen der Sche- china und dem Engel, welchem er entgegenlief s. Gen. 18, 2, wo der Sinn ist: er sah die Schechina und lief dem Engel entgegen.
V. 14. Eine Cypertraube ist mir mein Geliebter d. i. Jizchak, der gebunden wie ein Traubenkamm auf dem Altar lag,
-Er^rt zur Sühne der Sünden Israels ("rNfi:' rd z-'r";:i~ ":2D73>s).
Cap. I, 14. 47
aus den Weinbergen Engedis d. i. unser Vater Jacob, als er furchterfüllt und mit Scham, die Hände mit einem Ziegen- fell bedeckt, vor seinem Vater erschien und die Segnungen, diese ewige Quelle (abir yy) davon trug.
R. Hunja sagte im Namen des R. Acha: Dem Weibe ist nichts lieber, als ein Gewürzbündel. Wohin birgt sie dasselbe? Zwischen ihre Brüste.
Ferner sagte derselbe Rabbi im Namen des Resch Lakisch: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Herr der Welt! du hast Noth über die Aegypter durch den Tod ihrer Erstgebornen gebracht, du hast ihnen Bitteres verursacht, mich aber bewahrtest du sorgfältig. Wie denn? Wenn ein Aegypter zu einem Israeliten sprach: Ver- birg mir diesen Erstgebornen (meiner Kinder) unter deinen Kindern, so that es der Israelit, allein der Engel drang ein und erschlug jenen, mich aber verschonte er.
R. Berachja sagte: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Selbst wenn du Drangsal und Bitteres mir zuschickst, so bist du mein Freund*), welcher sieht, ob nicht ein grosser Mensch da ist, der zu der strafenden Gerechtigkeit sprechen kann: ,,Es ist genug!'' Diesen nimmst du und bewahrst ihn als Unterpfand bei mir. Was bedeutet T^wN Traubenkamm? Einen Mann, in dem alles ent- halten ist hn bs!"!^' ">25"'n), Schrift, Mischna, Talmud, Tosephta und Haggadot. -so—, weil er die Sünden Israels sühnt (nnTnriy ^ED70d bN^iü"» hx).
aus den Weinbergen Engedis d. s. die Väter der Welt, welche wie Zicklein hinter dir herziehen und Segnungen davon- tragen, die eine ewige Quelle für sie sind.
R. Jochanan legte den Vers auf das vom Hause Abtinus be- reitete Räucherwerk (für den Tempelgebrauch) aus, wovon die Myrrhe einer von den elf Bestandtheilen warj aus denen es bereitet wurde. R. Huna verweist dabei auf Ex. 30, 34, wo es heisst: „Und der Ewige sprach zu Mose: „Nimm dir Wohlgerüche (a"'730)", das sind 2, „Stakte, Räucherklaue und Galban", das sind 5, „Wohl- gerüche". Solltest du sagen, dass diese beiden (Bestandtheile) schon in dem (vorangegangenen) Worte 3^7:0 enthalten sind, so folgt: „zu gleichen Theilen soll es sein." Das giebt 5 gegen 5 d. i. 10, „und reinen Weihrauch" d. i. 11. Darum forschten die Gelehrten und fanden, dass für das Räucherwerk nur 11 Bestandtheile vortheilhaft wären. „Zwischen meinen Brüsten übernachtet es" d. i. der Duft des Räucherwerks beschränkte sich (am Versöhnungstage) auf den Zwischenraum zwischen den beiden Stangen der Bundeslade. biSCN 133", weil es als Sühne für die Sünden Israels diente.
R. Jizchak sagte: Die Traube, welche von den Datteln ist und aufsteigt bis zu den Stangen und hernach wie eine Traube herab- fallt. -iSDn d. i. sie sühnt die Sünden Israels. R. Jizchak sagt:
nim -lli" wird hier gedeutet: »^ iri'a n^'S nn}«c'.
48 c^p. I, 14.
Es heisst Lev. i6, 13: ,,Und er thue das Rauchwerk auf das Feuer vor dem Ewigen, dass die Wolke des Rauchwerks den Deckel auf dem Gesetze bedecke." Bedeckt und wir wissen nicht was, bis David kam und erklärte Ps. 85, 3: „Du hast die Schuld deines Vol- kes vergeben, du hast bedeckt."
aus den Weinbergen Engedis d. i. in Folge des Ver- trages, den ich mit eurem Vater Abraham zwischen den Stücken ab- geschlossen habe s. Gen. 15, i. u. 18, denn dieser hatte, wie R. Levi im Namen des R. Chama bemerkt, nachgedacht und vor Gott ge- sprochen: Herr der Welt! du hast mit Noach einen Bund geschlos- sen, dass du seinen Samen nicht von der Erde vertilgen wollest, nun bin ich aufgetreten, habe mich durch gute Werke vor dir her- vorgethan, dass der mit mir eingegangene Bund seinen Bund ver- drängte (und ich jene vier Könige, die von Noach abstammten, über- wand), vielleicht steht ein IMensch auf und zeichnet sich durch pflichtmässige Handlungen und gute Werke mehr als ich aus, und es verdrängt sein Bund meinen Bund? „Fürchte dich nicht", sprach Gott zu ihm, „ich bin dir ein Schild", von Noach habe ich keine Beschützer und gerechte Männer hervorgehen lassen, aber von dir werde ich Beschützer und Gerechte stellen, und nicht nur das, wenn deine Kinder in Sünden und Laster verfallen, werde ich einen grossen Mann ersehen, der zur strafenden Gerechtigkeit zu sprechen vermag: „genug!" diesen nehme ich als Unterpfand für sie, wie es heisst: biZwN d. i. ein Mann, in dem alles enthalten ist (Vrriw" w'N 1^), Schrift und Mischna, Talmud, Thosephtot und Haggadot; -cm d. i. (ein Mann), der die Sünden Israels sühnt. „Aus den Wein- bergen Engedis" d. i. ich nehme ihn und mache ihn zum Unter- pfand für sie.
Oder: biDdx. Ben Gesera sagte: Unter der Traube (bi^'uJN ist Gott zu verstehen, der alles (alle Vollkommenheiten) in sich vereinigt. IS«", weil er die Völker der Welt verläugnete ("iCD'iJ) und sich zu den Israeliten bekannte. Wann verläugnete er die Völker der Welt? In dem Kriege des Königs Josaphat gegen die INIoabiter und Ammoniter s. 2 Chron. 20, i — 30. Du findest, die Israeliten kommen von der Kraft Abrahams, dagegen die Ammoniter und Moabiter von der Kraft Lots und letztere bekriegten erstere und sie fielen durch sie. Josaphat besiegte sie durch göttlichen Beistand, woraus sich ergiebt, dass Gott die Völker der Welt ver- läugnet hat. Sollte dir der Einwand gemacht werden, dass die Schrift hier nicht auf Josaphat anspiele, so verweise auf den Na- men: Engedi (ina ■;"'y), der hier sowohl wie dort (bei Josaphat s. 2 Chron. 20, 2) vorkommt. Wie hier der Name sich auf den Krieg Josaphats bezieht, so auch dort. R. Levi bar Sacharja zieht daraus den Schluss: Wenn schon in dieser Welt, w-o es von Gott heisst Deut. 4, 24: „Denn der Ewige, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer, er ist ein eifervoller Gott", Gott die Völker der Welt verläugnet und sich zu Israel bekennt, um wieviel mehr wird er sich einst
Cap. I, 14. 15. 4Q
(gnädig) bezeigen, da er mit dem Thau verglichen wird und es von ihm Hos. 14, 6 heisst: „Ich werde Israel wie Thau sein."
V. 15. Siehe du bist schön, meine Freundin.
Du bist schön durch die Ausübung der religiösen Vorschriften, du bist schön durch die Liebeswerke (C'ior: mb"'72;3). du bist schön durch Befolgung der Gebote, du bist schön durch Beachtung der Verbote, du bist schön in deinem häuslichen Leben durch die Ent- richtung der Heben und Zehnten, du bist schön in der dir empfoh- lenen Mildthätigkeit gegen die Armen und Fremden, nämlich in Bezug auf die Nachlese, die vergessene Garbe und die Früchte des Eckfeldes (oder Eckbaumes) und den Armenzehnten und das Frei- geben, du bist schön in der Beobachtung des Gemischten (Kilaim), du bist schön durch das Tuch mit den Schaufaden (Zizith), du bist schön im Pflanzen, du bist schön durch die Vorhaut des Baumes (Lev. IQ, 2^. 24), du bist schön durch die vierjährige Pflanzung, du bist schön durch die Beschneidung, du bist schön durch das Reissen, du bist schön durch das Gebet, du bist schön durch das Keriath Schema, du bist schön durch die Mesusa, du bist schön durch die Thephillin, du bist schön durch die Laubhütte, du bist schön durch Lulab und Ethrog, du bist schön durch Busse, du bist schön durch gute Werke, du bist schön in dieser Welt und du bist schön in jener Welt.
deine Augen gleichen den Tauben.
Unter den „Augen" ist das Synedrium zu verstehen, welches die Augen der Gesammtheit darstellt s. Num. 15, 24. Wie die 248 Glieder des menschlichen Körpers nur den Augen folgen, so folgen auch die Israeliten nur der Entscheidung dieses Gerichtshofes. Wie „die Taube" erscheinen auch die Israeliten lieblich bei ihrem Pil- gern nach Jerusalem hinauf zur Festzeit. Wie diese Taube sind auch die Israeliten äusserlich durch Scheeren, Beschneidung und Zizith gekennzeichnet. Sowie die Taube sind auch die Israeliten fromm. Wie die Taube ihren Hals dem Streiche hinstreckt, so auch Israel s. Ps. 44, 23, Wie diese Taube die Sünden sühnt, so sühnt auch Israel die Völker, denn die 70 Farren, welche am Feste geopfert wurden, entsprechen den 70 Völkern, damit nicht die Welt von ihnen verwüstet werde, worauf die Worte des heiligen Sängers Ps. 109, 4 hindeuten: „Für meine Liebe feinden sie mich an, und ich bete." Wie diese Taube ihr Männchen, sobald sie es kennt, nicht gegen ein anderes vertauscht, so hat auch Israel Gott, seitdem es ihn als den wahren erkannt hat, nicht mit einem andern vertauscht. Wie diese Taube zu ihrem Neste zurückkehrt, dasselbe erkennt und den Taubenschlag, die jungen Tauben, ja sogar die Fenster erkennt, so kennen auch die Gelehrten (Schüler der Weisen), die vor ihnen vor dem Synedrium) in den drei Reihen sitzen, ihren Platz. Wie diese Taube, wenn ihr auch die Jungen genommen werden, den Taubenschlag niemals verlässt, so haben
Wünsche, Midrasch Schir Haschirim. 4
50 C^P- I' '5- i6.
auch die Israeliten, trotz der Zerstörung des Tempels, die drei jährlichen Feste nicht aufgehoben. Wie diese Taube jeden Monat brütet, so erneuern auch die Israeliten jeden Monat die Beschäftigung mit dem Gesetze und den guten Werken. Wie diese Taube aus- fliegt und zu ihrem Taubenschlage wieder zurückkehrt, so auch Israel s. Hos. ii, ii: „Sie eilen herbei wie Vögel aus Aegypten" d. i. das Geschlecht der Wüste, ,,und wie Tauben aus dem Lande Assyrien" d. s. die zehn Stämme, „und ich lasse sie wohnen in ihren Häusern, spricht der Ewige."
Rabbi sagte: Es giebt eine Taubengattung, zu welcher ihre Genossen, wenn man ihr zu essen giebt und diese es riechen, zu ihnen in ihren Taubenschlag kommen. Ebenso ünden sich bei einem Alten, wenn er Lehrvorträge hält, viele Proselyten ein, wie beispielsweise Jethro, der. als er die den Israeliten geschehenen Wunder vernommen hatte, zu Mose kam. Ebenso verhielt es sich mit Rachab, Chananja, Mischael und Asarja, viele Proselyten wurden durch sie gewonnen, wie Jes. 29, 23 geschrieben steht vergl. daselbst V. 24.
Rabbi hielt einmal einen Vortrag imd es war die Versammlung (Zuhörerschaft) eingeschlafen. Um sie zu wecken (ermuntern), sprach er: Eine Frau in Aegypten brachte 600000 Menschen auf einmal zur Welt. Wer war sie? fragte ein Schüler Namens R. Ismael bar R. Jose. Der Rabbi antwortete: Es war Jochebed, die den Mose gebar, der soviel wie das ganze aus 600000 Personen bestehende Volk Israel gilt s. Ex. 15, i; Num. i, 54; Deut. 34, 10.
„Deine Augen gleichen den Tauben." Wie diese Taube, so bringt auch Israel Licht in die Welt s. Jes. 60, 3. Wann brachte eine Taube Licht in die Welt? In den Tagen Noachs, wie es Gen. 8, II heisst: „Und es kam zu ihm die Taube zur Abendzeit und trug ein abgepflücktes Oelblatt in ihrem Schnabel. Was bedeutet Ci"tC3? Soviel wie V'Up abgepflückt vergl. Gen. 37, 33. R. Berachja sagte: Woher brachte sie es? Nach R. Levi von den Schösslingen im israelitischen Lande, weshalb auch die Leute sagen, dass dieses Land von den Wassern der Fluth verschont geblieben sei, wie in Ezech. 22, 24 geschrieben steht. R. Jochanan sagte: Sogar die Mühlsteine wurden durch die Wasser zerrieben.
Nach R. Tirja waren der Taube die Pforten des Paradieses geöffnet worden, und von da brachte sie das Blatt. Hätte sie denn aus dem Paradiese, fragte R. Ibo, nicht etwas Besseres, wie Zimmt oder Balsam bringen können? Nein, sie wollte damit dem Noach andeuten und zu ihm sagen: Mein Herr Noach! lieber etwas Bitte- res wie dieses aus Gottes Hand, als Süsses aus deiner Hand!
V. 16. Sieh mein Freund, du bist schön, auch lieblich.
R. Abuhu sagte: Er (der Liebende d. i. Gott) preiset seine Ge- liebte (d. i. Israel) zwiefach mit den Worten: „Sieh schön bist du, meine Freundin, sieh schön bist du", sie aber preist ihn ganz ein-
Cap. I, i6. 17. ej
fach hier: „Sieh schon bist du", weil er auch eine andere Nation, sie aber nur ihn allein liebenswürdig finden kann. Allein R. Cha- nina weist auf obigen Vers hin, wo sie auch ihn zwiefach preist: „Sieh schön bist du, auch lieblich." Sie spricht zu Gott: Herr der Welt! selbst dein Zorn*), mit dem du über mich kommst, ist mir nicht zuwider. Warum ? Weil er mich zurückführt und zum Guten bringt.
Ja unser Lager grünet d. i. das Heiligthum, welches 2 Reg. II, 2 Schlafgemach genannt wird.
R. Asarja führte im Namen des R. Jehuda im Namen des R. Simon zur Erklärung des Verses dieses Gleichniss an. Ein König kam nach einer öden Gegend, wo ihm ein kurzes Bett gebracht wurde, was ihm Schmerz verursachte und seine Glieder drückte. Als er in ein bevölkertes Land kam, wurde ihm ein langes Bett bereitet, in welchem er seine Glieder ausstrecken konnte. So war auch die Schechina vor dem Tempelbau auf den Zwischenraum zwischen den beiden Stangen der Bundeslade beschränkt, als aber der Tempel erbaut worden war, erweiterte sich der Raum (eig. ver- längerten sich die Stangen).
Oder: Wie dieses Lager nur zur Behaglichkeit gemacht ist, so musste auch die Schechina, bevor der Tempel erbaut war, von einem Orte zum andern wandern s. 2 Sam. 7, 6, nachdem aber der Tem- pel erbaut war, kam sie zur Ruhe s. Ps. 132, 14.
Oder: Wie das Lager nur zur Gemächlichkeit bereitet ist, so wanderten auch die Israeliten vor der Erbauung des Tempels von einem Orte zum andern, wie es heisst s. Ex. 13, 20: ,,Sie brachen auf und lagerten", nach der Erbauung des Tempels aber fassten sie festen Fuss und sassen sicher s. i Reg. 5, 5. Oder: Wie das Lager zur Fortpflanzung und Vermehrung des Menschen- geschlechts dient, so heisst es auch vor der Erbauung des Tempels von Israel i Chron. 21, 2: „Auf, zählet die Kinder Israel", nach der Erbauung des Tempels aber heisst es i Reg. 4, 20: „Jehuda und Israel waren zahlreich."
Oder: Wie das Lager nur zur Fortpflanzung und Vermehrung bestimmt ist, so heisst es auch vor der Erbauung des Tempels von Israel Esra 2, 64: ,,Die ganze Gemeinde war zusammen 42360", nach der Erbauung des Tempels aber vermehrten sie sich, denn R. Jochanan hat gesagt: Von Gabat bis Antipateris waren 600000 Städte, welche doppelt soviel Einwohner fassten, als aus Aegypten gezogen waren und jetzt finden nicht einmal 600000 Röhren Platz, so ist das jüdische Land eingeengt. R. Chanina sagte: Das Land Israel hat sich zusammengezogen.
V. 17. Das Gebälk unsrer Häuser sind Cedern. R. Menachma sagte im Namen des R. Berachja: Die Steine, auf welchen unser Vater Jacob schlief, waren wie ein Lager und
*) Das Wort rx ^vird als Hauptwort ,.Zorn" genommen.
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Pfühl (n7:Tbs pluma) gemacht, und was erstand von dieser Lager- stätte? „Das Gebälk der Cedern." Oder unter „dem Gebälk der Cedern" sind die frommen Männer und Frauen, Propheten und Pro- phetinnen zu verstehen, welche von jenem Lager (Jacobs) erstanden.
unser Getäfel sind Cypressen.
Von der Cypresse, sagte R. Jochanan, hat der Mensch keinen Nutzen, weil sie biegsam ist, welche Meinung derselbe auch in seiner Auslegung Hosea 14, 9 bestätigt fand, nämlich: „Ich (Ephraim) werde sein wie eine grünende Cypresse" d, i. ich bücke mich, das Gebilde der Götzen auszurotten. Wozu mir das Gebilde der Götzen? ,,ich erhöre es" d. i. ich demüthige es, „und schau es an" d. i. nicht singen wir dir ein Lied, sondern ich beuge mich, um das Ge- bilde der Götzen auszurotten.
Oder: „Unser Getäfel" d. i. der Ort, wo die Priester auf Cy- pressenholz gingen s. i Reg. 6, 15. R. Jochanan sagt: Die Schriit lehrt hier eine Verhaltungsregel, dass man nämlich das Gebälk von Cedern-, das Getäfel von Tannen- oder Cypressenholz machen soll,, wie es heisst: „Das Gebälk unseres Hauses sind Cedern, das Ge- täfel Cypressen."
Cap. II.
V. I. Ich bin eine Blume zu Saron.
Die Gemeinde Israel spricht hier: Ich bin es, ich bin beliebt, denn Gott hat mich den 70 Völkerschaften vorgezogen, ihm durch Bezaleel einen Schatten (b::), eine Bundeslade zu bereiten*) s. Gen. 37, i; iTii;" d. i. auch habe ich ihm durch Mose ein Loblied (T'd) gesungen s. Ex. 15, i.
Oder: Israel spricht: Ich bin es, ich bin bei Gott beliebt, denn ich war im Schatten der Aegypter verborgen (ciliT^ bd *|b:ia rcmn), und in einer kleinen Stunde brachte er mich nach Ramses, erfrischte mich wie eine Lilie durch gute Werke und ich pries ihn in meinem Lobliede s. Jes. 30, 29.
Oder: Ich bin es, ich bin beliebt, denn ich befand mich im Schatten des Meeres, und nach einer kleinen Stunde erfrischte ich mich durch Wohlthaten wie eine Lilie, und nach meinem Durchzug zeigte ich mit dem Finger auf ihn, ausrufend Ex. 15, 2: „Dieser ist mein Gott, ihn will ich erheben."
Oder: Ich bin es, ich bin beliebt, denn ich war im Schatten des Sinai geborgen, und nach einer kleinen Stunde erfrischte ich mich durch gute Werke mit meiner Hand und meinem Herzen (d. i. mit allen Kräften) wie eine Lilie und ich sprach vor ihm s. das. 24, 7: „Alles, was der Ewige gesprochen, wollen wir thun und gehorchen."
*) Das "Wort rh^zr. wird hier für die zwei Worte h'JZ l'ir, gelesen.
Cap. II, I. 53
Oder: Ich bin es, ich bin beliebt, denn ich bin verborgen und verhüllt im Schatten der Fremdherrschaften, aber morgen, wenn mich Gott erlöst und dem Schatten der Knechtschaft entreisst, blühe ich auf wie eine Lilie und stimme ihm ein neues Lied an s. Ps. g8, i.
Nach R. Berachja legt Salomo obigen Vers der Wüste in den Mund. Ich bin beliebt, spricht sie, denn alles Gute in der Welt ist in mir verborgen s. Jes. 41, ig; alle die hier genannten Kost- barkeiten sind bei mir aufbewahrt und wenn Gott sie verlangt, gebe ich sie vollständig zurück, ich fördere gute Werke und singe vor ihm ein Loblied s. das. 35, i.
Nach den Rabbinen spricht die Erde den obigen Vers. Ich bin es, ich bin bevorzugt, spricht sie, denn alle Hingeschiedenen der Welt sind in mir verborgen s. Jes. 26, 19, und wenn Gott sie von mir fordert, gebe ich sie ihm zurück, ich fördere gute Werke, dass sie wie eine Lilie blühen, ich singe ihm ein Loblied s. Jes. 24, 16.
Nach R. Judan ist rVjinn und nrüJr«:; eine und dieselbe Blume. So lange die Lilie noch klein ist, heisst sie nb^an, wenn sie aber grösser wird, nennt man sie nsdiilJ. Weshalb heisst sie nb^can? Weil sie in ihrem eigenen Schatten (der um sie gefalteten Blätter) verborgen ist.
R. Elieser sagte: Die Gerechten werden mit der vorzüglichsten Blume, der Thal- und Berglilie, verglichen, denn jene welkt hin, diese aber wird immer saftreicher; die Ruchlosen dagegen werden mit den entgegengesetzten hässlichen Erzeugnissen der Stoppel und Spreu vor dem Winde verglichen, und nicht etwa mit der im Thale, denn in dieser ist noch Saft vorhanden, sondern mit der auf den Bergen.
R. Abba bar Kahana sagte: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Ich bin es, ich bin die Begünstigte, ich bin in tiefe Nöthe versunken, wenn Gott mich daraus emporhebt, so entfalte ich gute Werke wie die Lilie und feiere ihn im Gesänge s. Jes. 26, 16.
Nach R. Acha spricht die Gemeinde Israel vor Gott: Wenn du mich deines tiefen Blickes würdigst, entfalte ich gute Werke wie die Lilie und weihe dir mein Lied s. Ps. 130, i.
Nach den Rabbinen endlich spricht die Gemeinde Israel vor Gott: „Ich bin es, ich bin beliebt, ich bin in den Tiefen der Hölle versunken, wenn mich Gott daraus befreit vergl. Ps. 40, 3: „Er zieht mich aus der Grube des Verderbens", so rege ich gute Werke an und spreche vor ihm ein Lied, wie es heisst das. V. 4: „Und er legte in meinen Mund ein neues Lied." Diese Auslegung der Rab- binen stimmt auch mit dem überein, was R. Eleasar von Modin gesagt hat. Einst werden die Fürsten der Völker der Welt kom- men und die Israeliten vor Gott anklagen und sprechen: Herr der Weltl diese sind ebenso wie wir der Abgötterei, der Wollust und Mordsucht (dem Blutvergiessen) ergeben gewesen, warum fahren wir nur in die Hölle und diese nicht? Gott antwortet ihnen: Wenn
c^ Cap. II, I. ::.
dem so ist, so sollen alle Völker mit ihren Göttern in die Hölle hinabfahren s. Micha 4, 5.
R. Rüben sagte: Es steht etwas geschrieben, was sich nicht gut sagen lässt: es heisst nämlich Jes. 66, 16: „Denn im Feuer wird Gott gerichtet (::Ed:)", es heisst nicht :iz')ä er richtet, sondern ::Dw': er wird gerichtet. Diese Frage hat David Ps. 23, 4 im hei- ligen Geiste mit diesen Worten gelöst: „Wenn ich auch wandle im Thale des Todesschattens, so fürchte ich nichts Böses, denn du bist mit mir, dein Stab" d. i. (deine Zuchtruthe) die Leiden „und deine Stütze" d. i. dein Gesetz „sie trösten mich" u. s. w. Konnte David ohne Leiden das Wort ^N nur, sagen? Er konnte es in dieser Welt, darum heisst es das. V. 6: „Nur Gutes und Barmherzigkeit werden mir nachfolgen alle Tage meines Lebens, bis ich einst im Hause des Ewigen wohne auf immerdar."
V. 2. Wie die Lilie unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern.
R. Jizchak deutete diesen Vers auf Rebecca, die Tochter Bethuels, des Aramäers von Padan-Aram, die Schwester Labans, des Aramäers s. Gen. 25, 2. INIit allen diesen nicht nothwendigen Angaben soll angedeutet werden, dass der Vater, der Bruder und die Ortsbewohner der Rebecca, von welchen sie hervorgegangen,. Betrüger waren, sie aber war und blieb die Tugendhafte, sie glich demnach der Lilie unter den Dornen. R. Pinchas sagt: Es heisst das. 28, 5: „Und so entliess Jizchak den Jacob, und er zog nach Padan-Aram zu Laban, dem Sohne Bethuels, des Aramäers", um anzudeuten, dass alle Betrüger waren.
R. Elieser deutete den Vers auf die Erlösung aus der aegyp- tischen Sclaverei, welche ebenso schwer zu bewerkstelligen w-ar, wie eine Lilie zwischen Dornen zu pflücken ist s. Deut. 4, 34. R. Josua im Namen des R. Chanan sagte: Es heisst in dieser Stelle: „Und sich ein Volk zu nehmen aus der Mitte der Völker", es heisst nicht: zy 2-ip?2 *r., auch nicht: ■"■;:. nipi: ^y, sondern "-i^ n"p7: ^ty, weil das eine wie das andere beschnitten war, das eine wie das andere sich die Tolle lang wachsen liess, das eine wie das andere Ge- mischtes (Kilaim) als Kleidung trug, darum gestattete die Strafge- rechtigkeit nicht, dass die Israeliten für immer erlöst wurden. R. Samuel bar Nachman sagte: Wenn Gott sich selbst nicht durch einen Eidschwur (mit Abraham) gebunden hätte, so wären die Israe- liten nie erlöst worden s. Ex. 6, 6. Unter dem Worte pb ist nichts anderes als Schwur (nr"::^) zu verstehen vergl. i Sam. 3, 14. R. Berachja sagte: Es heisst Ps. 77, 16: „Du hast dein \olk erlöst mit starkem Arm" d. i. mit Herrschermacht (wS-n-tsn). R. Judan sagte: Die Worte Deut. 4, 34 von "ij; ib rrpV nsV bis cVin:. c^Nm^j enthalten 72 Buchstaben und wenn dir jemand ent- gegnen sollte, dass es 75 Buchstaben seien, so erwiedere, dass das zweite Wort 'i:. von der Zahl ausgeschlossen ist. Damit soll nach
Cap. II, 2. 55
R. Abin angedeutet sein, dass Gott die Israeliten mit seinem Namen erlöst hat, der 72 Namen (Attribute) hat. Einem Könige gleich, sagte R. Asarja im Namen des R. Jehuda, dass R. Simon gesagt habe, welcher einen Lustgarten hatte und eine Reihe Feigenbäume, eine Reihe Weinstöcke, eine Reihe Granatäpfelbäume und eine Reihe Aepfelbäume pflanzte und dann einem Winzer übergab und davon- ging. Nach einiger Zeit kam der König und sah sich im Garten um, um zu wissen, was geschehen war und er fand überall nur Dornen und Disteln. Er Hess dieselben abschneiden und es fand sich eine Lilie darunter. Er nahm sie, roch daran und ergötzte sich. Wegen dieser Lilie, sprach er, soll der Garten verschont werden. So ist auch die Welt nur wegen Israel erschaffen worden. Nach 26 Geschlechtern sah Gott in seiner Welt sich um, um zu sehen, was sich in ihr zugetragen habe und siehe, er fand Wasser in Wasser d. i. das Geschlecht Enosch, das Geschlecht der Sünd- fluth und das Geschlecht der Zerstreuung war durch Wasser vertilgt worden. Er wollte nun die Welt (von allen solchen Auswüchsen) ausrotten s. Ps. 2g, 10, da fand er aber eine Lilie d. i. Israel und nahm einen lieblichen Duft an ihr wahr d. i. an den Israeliten, als sie die zehn Gebote so bereitwillig aufnahmen und er ergötzte sich daran, als die Israeliten sprachen: „Wir wollen thun und gehorchen." Wegen dieser Lilie, sprach Gott, werde der Garten verschont d. i. wegen des Gesetzes und seiner Pfleger werde die Welt gerettet.
R. Chanan von Sepphoris deutete obigen Vers auf die Werke der Menschenliebe (ciOn mb''»;^). Es kommen z. B. Zehn Män- ner in ein Trauerhaus und es vermag nicht einer von ihnen seinen Mund aufzuthun, um den Segens-(Trost-)spruch der Leidtragenden*) zu sprechen, da kommt aber einer und thut es, dieser gleicht einer Lilie unter den Dornen. Es kommen ferner Zehn (Männer) zu einem Hochzeitsmahle und keiner von ihnen thut seinen Mund auf, um den Segensspruch zu sprechen, den man am Hochzeitstage für das Brautpaar spricht, da kommt aber einer und thut es, dieser gleicht einer Lilie unter den Dornen. Oder es kommen endlich Zehn (Män- ner) in das Versammlungshaus (die Synagoge) und nicht einer von ihnen ist im Stande, vor die Lade hinzutreten, die Benedictionen vor und nach dem Schema zu sagen (eig. die Hände zu den Segens- sprüchen auszubreiten), da kommt aber einer und thut es, dieser gleicht einer Lilie unter den Dornen.
R. Eleasar kam in einen Ort, wo er aufgefordert wurde, den mit dem Worte Schema beginnenden Abschnitt (Deut. 6, 4 — 9) öffent- lich und feierlich vorzutragen, was er aber (aus Bescheidenheit) mit den Worten ablehnte: Ich bin nicht gelehrt genug. Was? sprachen die Anwesenden, ist das der Eleasar, von dem man so viel Rüh- mens macht? R, Eleasar erblasste (eig. sein Antlitz wurde gelb) und er ging zu seinem Lehrer R. Akiba. Warum siehst du so
*) S. Kethub. fol. 8'^ vergl. Midr. Wajikra r. Par. 23.
56 Cap. II, 2.
kränklich aus? wurde er von diesem gefragt. Er erzählte ihm den Vorfall und bat ihn, ihm doch das Mangelnde zu lehren, was auch geschah. Nach einigen Tagen kam er wieder an denselben Ort. Es erging dieselbe Aufforderung an ihn, der er entsprach und man sagte nun: R. Eleasar wurde befreit (d. i. von seiner früheren Unkenntniss der Gesetzlehre entbunden), weshalb man ihn R. Elea- sar Chisma nannte.*)
R. Jona lehrte seine Schüler die oben erwähnten Hochzeits- und Trauerbenedictionen, damit sie in allem als Männer erscheinen möchten.
R. Huna deutete den obigen Vers auf die Herrschaften (nT'SrTaa). Wie die von Dornen umgebene Lilie, wenn auch ein Nordwind sich erhebt, sie peitscht und Dornen sie stechen, trotzdem ihr Inneres nach oben richtet, so auch die Israeliten; obgleich sie von Be- köstigungsbeiträgen und andern Steuern aller Art belastet sind, so richten sie dennoch ihr Herz zu ihrem Vater im Himmel, wie es Ps. 25, 16 heisst: „Meine Augen blicken immerdar zum Ewigen auf,"
R. Ibo legte obigen Vers auf die nächste (morgende) Erlösung nn?: nbTN:.:^) aus: Wie es schwer hält, die Lilie, wenn sie unter Dornen sich befindet, zu sammeln (pflücken), sondern ihr Besitzer erst ein Licht herbeiholt und die Dornen verbrennt und hernach sie sammelt, so heisst es von Israel Thren. i, 17: „Der Ewige hat gegen Jacob seine Feinde entboten ringsum", wie Chalmisch bei Gawa, Jericho bei Noadan, Susitha bei Tiberias, Kastra bei Cheipha, Lud bei Ono vergl. Ezech. 5, 5: ,,So spricht der Ewige: Das ist Jerusa- lem, die ich mitten unter die Völker gesetzt habe"; wenn aber der bestimmte Zeitpunkt eintritt, was thut da Gott? Er bringt ein Feuer herbei und zündet die Dornen an (d. i. er lässt diese Oerter ein Raub der Flammen werden), wie es heisst Jes. ^^, 12: ,,Die Völker werden wie Kalk verbrannt werden" und Deut. ^2, 12 heisst es: ,,So leitet es der Ewige allein und kein fremder Gott mit ihm."
R. Abun sagte: Sowie die Lilie, wenn sie von der Gluth der Sonne betroffen wird, hinwelkt, wenn aber der Thau auf sie kommt, aufblüht, ebenso welken die Israeliten gleichsam hin, so lange Esau's Schatten (d. i. die Macht Roms in dieser Welt) währt, in der zu- künftigen Welt aber, wenn der Schatten Esau's geschwunden ist, wird es saftreicher werden, wie es heisst Hos. 14, 6: „Ich werde Israel wie Thau sein, es wird blühen wie die Lilie und Wurzel schlagen wie der Libanon." Wie der Wohlgeruch der Lilie nur mit ihrer Vernichtung ein Ende nimmt, so ist auch der Fortbestand Israels auf die Beobachtung der religiösen Vorschriften und den Vollzug von guten Werken gegründet. Wie die Lilie nur wegen des von ihr verbreiteten Duftes beliebt ist, so sind auch die Ge- rechten nur zur Erlösung Israels erschaffen. Was die Lilie auf der königlichen Tafel am Anfange und Schluss ist, das sind auch die
") Vetgl. Midr. "Wajikra r. Par. 23.
Cap. II, 2. 3. 57
Israeliten in dieser und in der künftigen Welt (d. i. in der messiani- schen Zeit); wie die Lilie unter allen Pflanzen erkannt wird, so wird auch Israel unter den Völkern der Welt erkannt s. Jes. 61, 9; wie die Lilie auf die Sabbathe und Festtage aufbewahrt wird, so ist auch Israel für die künftige (morgende) Erlösung ("^72 Vu; nbiNsb) bestimmt.
Nach R. Berachja sprach Gott zu Mose: Geh und sprich zu den Israeliten: Meine Kinder! wie ihr in Aegypten der Lilie unter den Dornen gleich wäret, so werdet ihr es auch in dem Lande Kanaan sein, dahin ihr kommen sollt, sehet euch vor, dass ihr nicht die dortigen Sitten annehmt s. Lev. 18, 13.
V. 3. Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes.
R. Huna und R. Acha sagten im Namen des R. Jose ben Simra: Sowie alle in der Sonnenhitze von dem Apfelbaum fliehen, weil er keinen Schatten bietet, so wollten auch die \'ölker der Welt am Tage der Gesetzgebung (auf dem Sinai) sich nicht unter Gottes Schatten (Schutz) begeben, aber Israel sprach: „Ich sitze mit Lust unter seinem Schatten und seine Frucht ist meinem Gaumen süss" d. i. nur ich fand Lust an ihm, nicht aber die andern Völker.
R. Acha bar R. Sera gab zwei Erklärungen zu obigem Verse: i) Wie der Apfelbaum erst die Blüthe und dann die Blätter hervor- bringt, so zeigten auch die Israeliten in Aegypten Glauben (Ver- trauen), bevor sie noch die Verkündigung vernahmen s. Ex. 4, 31; 2) wie der Apfelbaum erst die Blüthe und dann die Blätter hervor- bringt, ebenso sprachen die Israeliten am Sinai zuerst: Wir wollen thun und dann hören, wie es heisst: „Wir wollen thun und ge- horchen."
Auch R. Asarja gab zu obigem Verse zwei Vergleichungen: l) Sowie der Apfelbaum erst im INIonat Sivan seine Früchte zur Reife bringt, ebenso verbreitete Israel einen Wohlgeruch in demselben Monat s. Ex. ig, i. 2; und 2) sowie von der Blüthe bis zur Reife der Früchte beim Apfelbaum ein Zeitraum von 50 Tagen ist, ebenso viel Zeit verstrich auch vom Auszuge der Israeliten aus Aegypten bis zur sinaitischen Gesetzgebung s. das. 19, i.
R. Jehuda bar R. Simon stellte folgende zwei Vergleichungen an: i) Wie dir mit diesem Apfel für einen (römischen) Assar (oder Ass, einen geringen Preis) mannigfache Genüsse geboten werden, so könnt auch ihr, sprach Mose zu den Israeliten, durch etwas Geringes erlöst werden. Gleich einem, der an seinen Füssen litt und zu allen Aerzten ging, um sich heilen zu lassen, aber kein Arzt ihm helfen konnte, da kam ein Mann und sprach zu ihm: Wenn du geheilt sein willst, so kann das durch eine Kleinigkeit geschehen, binde dir nur Kuhmist um die Füsse. Ebenso sprach Mose zu den Israeliten: Wollet ihr erlöst sein, so kann das sehr leicht bewerkstelligt werden s. Ex. 12, 22: „Nehmt nur ein Bündel
58 Cap. II, 3.
Ysop und taucht es in das Blut im Becken" u. s. w. Sie fragten: Mose, unser Lehrer! was für ein Bündel? Eins zu vier oder fünf Minen? Es kann selbst eins zu einer Mine sein, antwortete Mose, und ihr werdet dadurch viel Beute machen in Aegypten, am Meere, von Sichon und Og und von den 31 Konigen. Und nun erst der Lulab, welcher dem ]\Ienschen so theuer zu stehen kommt und in dem so viele Gebote enthalten sind! Deshalb empfiehlt Mose ernstlich den Israeliten: „Nehmt euch ein Bündel Ysop am ersten Tage." 2) Gleich einem Könige, der einen Edelstein und Perlen hatte, da kam sein Sohn und sprach zu ihm: Gieb mir sie. Sie sind dein, sprach der König, und bleiben dein, ich werde dir sie schon geben. So sf)rechen auch die Israeliten vor Gott: Meine Macht, mein Lobgesang ist Jah s. das. 15, 2. Ebenso spricht Gott zu den Israeliten: Die Macht (7i") d. i. das Gesetz, ist nicht mein, es ist euch zugedacht und ich gebe es euch s. Ps. 29, 11.
R. Levi sagte: Drei schöne Hoffnungen nährten die Israeliten am Meere: sie hofften auf das Gesetz, wie es heisst: „In seinem Schatten begehr' ich zu sitzen" und Fahnen zu erhalten, wie es heisst: „ich begehre" und die Stiftshütte zu errichten, wie es heisst: „zu sitzen" vergl. Sam. 7, 6, wo dasselbe Wort TSu;"' steht; wie auch R. Menachman gesagt hat: Aus den Worten Ex. 15, 22: „Sie zogen hinaus nach der Wüste Schur, sie wanderten in der Wüste drei Tage und fanden kein Wasser" lässt sich folgern, dass sie sich selbst prophezeiten, sie würden einst Lager, Cohorten und Reihen bilden, wie eine Weinbergpflanzung.
Seine Frucht ist süss meinem Gaumen d. s. nach R. Jiz- chak die zwölf JNIonate, welche die Israeliten vor dem Sinai zu- brachten, und ihnen die Worte des Gesetzes süss schmeckten, aber nur ihrem Gaumen, nicht dem Gaumen der Völker der Welt, wel- chem sie wie Wermuth schmeckten.
Wenn es Lev. i, i heisst: „Er rief IMose, und der Ewige redete zu ihm vom Stiftszelte aus", so folgert R. Eleasar daraus, dass die Israeliten, obgleich das Gesetz vom Sinai gegeben worden war, doch nicht eher für die Handhabung desselben verantwortlich waren, als bis es ihnen im Stiftszelte erläutert worden war, gleichwie auch ein mit Unterschrift und Siegel versehenes Edict (r:tt:iO"i'nV öiü- Tay/iia) für die Bewohner eines Landes nicht eher eine bindende Kraft hat, als bis es ihnen erläutert worden ist, was auch mit den Worten angedeutet wird: „Bis ich ihn bringe in meiner Mutter Haus" d. i. der Berg Sinai, ,,in meiner Mutter Kammer" d. i. das Stiftszelt, wo die Israeliten erst für die Befolgung der Lehre ver- pflichtet wurden.
R. Josua ben Levi sagte: Wenn die \'ölker gewusst hätten, dass das Stiftszelt ihnen so von Nutzen wäre, so würden sie es mit Zelten und Lagern umgeben haben.*) Solange das Stiftszelt noch
*) Vergl. Midr. r. Wajikra r. Par. I.
Cap. ir, 3. 4. 59
nicht stand, liefen sie aus ihren Palästen, wenn sie den Wortlaut vernahmen s. Deut. 5, 23. Das Wort ging nach R. Simeon zwei- gestaltig (d. i. verschieden wirkend) aus, lebenbringend für Israel s. das. 4, 33: du hörtest es und lebtest, und todtbringend für die Völker der Welt, sie hörten es und kamen dabei um, darum wird Cant. 8, 5 gesagt: „Unter dem Apfelbaum flösste ich dir Liebe ein" d. i. vom Stiftszelte aus.
R. Chija hat gelehrt: Die Stimme verbreitete sich nicht über das Stiftszelt hinaus.
R. Jizchak sagte: Solange das Stiftszelt noch nicht stand, wal- tete über den Völkern der prophetische Geist, nachdem aber das Stiftszelt errichtet war, hörte er auf. „Da fand ich ihn, den meine Seele liebt" (s. Cant. 3, 4). Sollte dir eingewendet werden: Hat nicht Bileam ben Beor geweissagt? so sage: Das geschah zum Ruhme Israels s. Num. 24, 5; 23, 21. 2^. 10; 24, ig.
V. 4. Er führt mich ins Weinhaus.
R. Meir sagte: Die Gemeinde Israel spricht: Durch den Wein bemächtigte sich meiner der böse Trieb, so dass ich zum Kalbe sprach: „Dieses ist dein Gott, Israel" s. Ex. 32, 4; denn wenn der Wein in den Menschen einzieht, verwirrt er ihn. Genug Meir! ent- gegnete R. Jehuda, das Hohelied wird nicht zur Schande, sondern zum Ruhme Israels ausgelegt. Wie sind denn dann obige Worte zu deuten? Auf diese Weise: Die Gemeinde Israel spricht: Gott brachte mich in den grossen Weinkeller, an den Sinai, und gab mir dort mein Panier, das Gesetz, die Gebote, die guten Werke, und ich nahm sie mit grosser Liebe an.
R. Abba sagte im Namen des R. Jizchak: Die Gemeinde Israel spricht: Gott führte mich in den grossen Weinkeller d. i. zum Sinai und gab mir von dorther das Gesetz, aus welchem das Reine auf 49 Arten und auf ebenso viele Arten das Unreine erörtert wird und ich nahm es mit grosser Liebe an, wie es heisst: „Die Liebe ist sein Panier über mir."
R. Jona sagte: Wenn zwei Genossen einer Gelehrtenschule, die sich mit der Untersuchung einer Halacha beschäftigen und der eine eine Begründung dazu anzuführen sucht, der andere aber nicht, so spricht Gott in Bezug auf diesen: „Die Liebe ist sein Panier über mir."
R. Acha sagte: Ein Unwissender (v^N*~ ü"), der anstatt rmriNT du sollst lieben, rS''"'NT du sollst hassen, liest, von dem sagt Gott (obgleich dadurch ein entgegengesetzter Sinn, eine Blasphemie ent- steht): Selbst sein Ueberspringen (der Buchstaben d. i. die undeut- liche Aussprache derselben) ist mir lieb.
R. Issaschar sagte: Wenn ein Kind anstatt Mosche, Masche, anstatt Aaron, Ron und anstatt Ephron, Phron liest, so sagt Gott: Selbst sein unverständliches Sprechen (Schwatzen) gilt mir als Liebe.
R. Hunja sagte: Früher, wenn ein- Mann mit dem Finger auf
60 Cap. II, 4. 5.
das Bild des Königs wies, machte er sich des Todes schuldig, jetzt gehen die Kinder in die Schule und weisen mit dem Finger auf den Gottesnamen (r;i3TNr! Vr) und Gott spricht: Sein Daumen (iVnai) winkt mir Liebe zu.
Die Rabbinen sagen: Selbst wenn ein Kind den Gottesnamen noch so oft überspringt, so erleidet es keinen Schaden, Gott spricht vielmehr: Sein Ueberspringen (isibm) ist mir lieb!
R. Berachja sagte: Obgleich Jacob sich Täuschungen (^bisiri) gegen seinen Vater erlaubte, indem sie (seine Mutter) die Felle der Ziegenböcke um seine Hand legte s. Gen. 27, 16, so spricht doch Gott: Ich lasse darin meine Schechina ruhen, nämlich in den Vor- hängen der Ziegenfelle über der Stiftshütte s. Ex. 26, 7, und nicht nur das, sondern seine Täuschung n"'n:i''m) flösst mir Liebe ein.
R. Josua von Sichnin sagte im Namen des R. Levi: Die Ge- meinde Israel spricht: Gott brachte mich nach dem grossen Wein- keller d. i. zum Sinai, wo ich Michael und seine Schaar, Gabriel und seine Schaar sah. Als ich nun diese höheren Schaaren erblickte, gewann ich sie. lieb. Da meine Kinder, sprach Gott zu Mose, gern mit Schaaren lagern, so soll auch jeder bei seinem Panier (iVs^), bei den Zeichen ihrer Stammhäuser sich lagern s. Num. 2, 2.
V. 5. Er erquickt mich mit Traubenkuchen d. i. mit den beiden Feuern, dem Feuer von oben (dem himmlischen) und dem Feuer von unten (dem irdischen). *) Oder mit den beiden Feuern, dem geschriebenen und dem mündlichen Gesetz.**) Oder mit den vielen Feuern, als dem Feuer Abrahams (in welchem er seinen Glauben an Gott bewährte und verherrlichte), mit dem Feuer auf dem Berge Moria (welches dem Widder Jizchak galt), mit dem Feuer im Dornbusche, mit dem Feuer auf dem Berge Carmel zu Elias Zeit s. i Reg. 18, 38 und mit dem Feuer, welchem Chananja, Mischael und Asarja übergeben wurden s. Dan. 3, 20. Oder es sind die kräftigen Halachot {vrC'C'ülDrt nobrir;) gemeint.
Er labt mich mit Aepfeln d. i. mit Ilaggadot, die so riechen und schmecken wie Aepfel.
Denn ich bin krank von Liebe. Herr der Welt! spricht die Gemeinde Israel vor Gott, alle die Leiden, die du über mich bringst, haben nur den Zweck, mich bei dir beliebt zu machen. Oder: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Herr der Welt! alle die Leiden, welche die Völker mir verursachen, kommen blos daher, weil ich dich liebe. Oder: Obgleich ich krank bin, werde ich doch von ihm geliebt. Es ist bekannt, dass der gesunde Mensch isst (mit dem sich begnügt), was er vorfindet, erkrankt er aber, dann begehrt er alle Arten von Leckerbissen.
R. Jizchak sagte: In vergangener Zeit wurde das Gesetz als ein vollkommenes Ganze gläubig liingenommen, später aber wollte
*) Der Midrasch nimmt das Wort r-.r>r.s2 als Plural von v\< Feuer. **) Das Gesetz selbst wird Feuer genannt s. Deut. 33, 2.
Cap. II, 5. 61
man das Wort der Mischna und des Talmud hören und jetzt will man nur das Wort der Schrift und der Haggada hören.
R. Levi sagte: In vergangener Zeit, wo die Peruta leicht zu erwerben war, wollte man nur das Wort der Mischna, Halacha und des Talmud hören, jetzt aber, wo keine Peruta zu finden ist und man durch die Unterjochung krank ist, will man nur die Worte der Segnungen i^Seligpreisungen) und Tröstungen hören.
R. Simeon ben Jochai hat gelehrt: Als die Israeliten aus Aegypten zogen, glichen sie einem Königssohne, der von einer Krankheit genesen war. Nun kann dein Sohn wieder in die Schule gehen! sprach sein Erzieher zum Könige. Nein, entgegnete dieser, noch hat mein Sohn nicht seine gesunde Gesichtsfarbe, die durch seine Krankheit gelitten, er mag sich noch drei IMonate lang durch Speise und Trank erholen, dann erst m.ag er wieder die Schule be- suchen. Ebenso waren die Israeliten, als sie aus Aegypten zogen, durch die schweren Frohnarbeiten mit Lehm und Ziegeln gebrech- lich geworden. Es ist nun die Zeit gekommen, sprachen die Dienst- engel zu Gott, dass du ihnen das Gesetz giebst. Nein, entgegnete Gott, meine Kinder brauchen noch drei Monate Zeit zu ihrer Er- holung und Stärkung durch Brunnenwasser, Manna und Wachteln, im dritten Monate werde ich ihnen das Gesetz geben.
Als die Religionsverfolgung endlich überstanden war, kamen unsere Rabbinen, R. Jehuda, R. Nechemja, R. Me'ir, R. Jose, R. Simeon ben Jochai, R. Elieser ben R. Jose der Galiläer und R. Elieser ben Jacob in Uscha zusammen und forderten die Alten in Galiläa auf, es sollte jeder, der schon unterrichtet sei, dahin kom- men, um zu lehren, und wer es noch nicht sei, der sollte dahin kommen, um zu lernen. Es fanden sich viele ein und erfüllten ihre Aufgabe. Als sie auseinander gehen wollten, sprachen sie: Sollen wir einen Ort, wo wir so gastfreundlich aufgenommen worden sind, leer (ohne Segensspruch) verlassen? Die Ehre wurde zuerst dem R. Jehuda zu Theil, nicht etwa darum, weil er ein grösserer Gelehrter, sondern weil er Einwohner jener Stadt war, denn der Ort eines Menschen ehrt ihn. Er begann mit den Worten Ex. ;^2>^ 7: ,,Mose nahm das Zelt und pflanzte es ausserhalb des Lagers weit davon (pnir;) auf und nannte es Stiftszelt, und wer den Ewigen fragen wollte, ging hinaus zum Stiftszelt ausserhalb des Lagers." Es heisst hier "Mir;, ebenso dort Jos. 3, 4, wie nun da nichts anderes als eine Entfernung von 2000 Ellen zu verstehen ist, so auch hier. Sodann heisst es hier nicht: Wer Mose, sondern wer „den Ewigen fragen wollte", woraus wir die Lehre ziehen, dass Gelehrte aufnehmen so viel ist, wie die Schechina aufnehmen. Und ihr unsre Brüder, unsre Lehrer, grosse Meister im Gesetze, die ihr euch zehn, zwan- zig, dreissig oder vierzig Mil bemüht habt, um Vorträge über das Gesetz zu hören, um wieviel mehr w-ird Gott euch euren Lohn geben in dieser und in der künftigen Welt!
Hierauf nahm R. Nechemja das Wort: Es heisst. Deut. 23, 4:
62 ^'=^P- II. 5
„Die Ammoniter und Moabiter sollen nicht in die Gemeinde des Ewigen kommen", also zwei grosse Völkerschaften mussten sich von der Gemeinde des Ewigen fern halten, weil sie den Israeliten nicht mit Brod und Wasser zuvorkamen s. das. V. 5, Brauchten denn die Israeliten die Gaben, sie waren doch während ihrer vierzig- jährigen Wanderung in der Wüste mit allem versorgt worden, der Brunnen sprudelte Wasser, das Manna fiel für sie herab, es fanden sich Wachteln, Wolken boten ihnen Schatten, die Wolkensäule diente ihnen als Führer, und du sagst, sie waren ihnen nicht mit Brot und Wasser zuvorgekommen? Jawohl, allein die Lebensart erfor- dert, bemerkte R. Elieser, dass man dem, der von der Reise kommt, mit Speise und Trank entgegenkomme. Sieh, wie es Gott diesen zwei Völkerschaften bezahlte, er verbot ihnen den Zutritt in die Versammlung des Ewigen. Um wieviel mehr wird Gott euch, Be- wohner von Uscha, reichlich belohnen, die ihr unsere Lehrer mit Speise, Trank und Lagerstätten versorgt habtl*)
Hierauf nahm R. Meir das Wort. Er begann: Es heisst i Reg. 13, 11: „Ein alter Prophet wohnte in Bethel." Wer war es? Ama- zia, Priester in Bethel. INIeir! rief ihm R. Jose zu, ein Zusammen- klopfen von Eiern ist da (n^xa TnsnD d. i. geschmacklose Redens- arten), hier liegt eine Verwirrung vor. Es war Jonathan ben Ger- schom ben Menasse s. Jud. 18, 30. Der Buchstabe Nun (:) schwebt im Namen Menasse oben (so dass das Wort für ^'d?: ge- lesen werden kann); wenn der Träger es verdient, so ist er ein Abkömmling Moses, widrigenfalls ist er ein Abkömmling des ruch- losen Manasse.
Es wurde vor R. Samuel bar Nachman die Frage aufgeworfen: Da Amazia ein Götzenpriester war, warum erreichte er ein so hohes Alter? Man antwortete: Weil er es mit dem Götzendienst nicht auf- richtig meinte. Wie so? Wenn ein Anbeter kam, so fragte er ihn: Wie alt bist du? und wenn dieser sagte: 40, 50, 60 oder 70 Jahre, so sagte er dann: Du bist 40, 50, 60, 70, 80 Jahre und zu diesem Götzen bekennst du dich erst seit fünf oder zwölf Jahren. Du willst demnach deinen Gott verlassen und diesen Götzen anbeten? Welche Gemeinheit I Der Zurechtgewiesene ging in Folge dessen beschämt wieder weg.
Einmal kam ein Zerlumpter ("|T3 in)**) dahin, welcher ihn fragte: Was machst du hier, du treibst Götzendienst? Ich bekomme es bezahlt, für's Geld thu' ich alles, ich mache sogar die Augen der Götzen blind. Als David es erfuhr, Hess er ihn zu sich kom- men. Du bist ein Enkel eines so frommen Mannes, redete er ihn an, und treibst Götzendienst? Er antwortete: Ich habe die Lehre vom Hause meines Grossvaters empfangen: \'erkaufe dich zum
**) Vergl. Midr. Beresch. r. Par. 52.
**) yr.t ir eig. ein Mensch mit zerrissenen Kleidern, ein gemeiner, nie- driger Mensch.
Cap. II, 5. 63
Götzendienste (fi'b "jT^irr "113:2), nur brauche nicht die Men- schen (nT'ia'T ~^DXr nViI. Bewahre! wandte David dagegen ein, so ist es nicht gemeint, sondern: Gieb dich lieber zu einem Dienste her, der dir zuwider {"ifZi: nir fremd 1 ist, als dass du Menschen in Anspruch nimmst. Da David sah, dass das Geld ihm so lieb war, setzte er ihn als Schatzmeister ein. Er soll aber, heisst es, nach Davids Ableben wieder in seinen früheren Wahn verfallen sein, was auch i Reg. 13, 18 angedeutet ist.
Wenn nun schon auf einem Propheten, der eine so arge Täu- schung gegen einen anderen seinesgleichen sich zu Schulden kom- men Hess (eig. ihm trügerische Kost darbot), der heilige Geist ruhte s. das. V. 20, um wieviel mehr wird Gott euch, ihr Bewohner von Uscha, die ihr unsre Lehrer mit wahrer Nahrung bewirthet habt, einen schönen Lohn zu Theil werden lassen!
Ferner ergriff R. Jose das Wort und gab folgende Auslegung. Es heisst 2 Sam. 6, 11: ,,Die Bundeslade des Ewigen blieb im Hause des Obed Edom, des Gathiters drei Monate und der Ewige segnete den Obed Edom und sein ganzes Haus." V. i2: ,,Und es ward David berichtet, indem man sprach: Der Ewige segnet das Haus Obed Edoms und alles, was sein ist." Weshalb? ,, Wegen der (bei ihm untergebrachten) Lade Gottes." Und womit? Mit acht Söhnen und acht Schwiegertöchtern s. i Chron. 26, 4. 5 vergl. das. V. 8. INIan sagte: Er hat acht Söhne und acht Schwiegertöchter (Bräute), von denen jede monatlich zwei Kinder gebar, ohne dass es Zeit war. Wie ist das möglich? Sieben Tage unrein und sieben Tage rein und dann gebar sie und wieder sieben Tage unrein und sieben Tage rein, das giebt 16 in jedem Monat, in drei Monaten also 48 und sechs von ihm selbst, das sind 54 und von ihr acht, das sind 62, wie es heisst das. V. 8: „62 von Obed Edom". Die Schüler warfen vor R. Jochanan diese Frage auf, nämlich: Was heisst das: „Peulthai der achte?" Er sprach zu ihnen: Er hiess darum so, weil er zur Verherrlichung des Gesetzes sich durch eine (besonders) grosse That (nV'ns nbir£ Vr^c) ausgezeichnet hatte. Was hatte er gethan? Er hatte täglich am Morgen wie am Abend (eig. zwischen den beiden Abenden) ein Licht vor der Bundeslade brennen lassen. Wenn nun schon dieser, weil er vor der Lade Gottes, welche doch nicht essen und trinken konnte, sondern nur, weil die beiden stei- nernen Tafeln in ihr lagen, ein Licht anzündete, würdig war, mit ihrer Herrlichkeit gesegnet zu werden, um wieviel mehr wird euch, unsern Brüdern, Bewohnern von Uscha zu Theil werden.
Hierauf folgte R. Simeon ben Jochai. Er fing an: Es heisst 2 Reg. 4, 8: ,, Eines Tages kam Elisa nach Sunem, wo eine ange- sehene Frau w-ar, die in ihn drang, bei ihr zu speisen", weshalb sie so glücklich war, wie R. Jehuda bar R. Simon zu dem Vortragen- den bemerkte, dass ihr Sohn wieder auflebte. Daher sagte R. Judan im Namen des R. Sera und R. Jochanan im Namen des R. Simeon ben Jochai: Die Ernährung ist so wichtig (thut eine grosse Wirkung),
64 Cap. II, 5.
dass die Todtenbelebung zur Unzeit eintritt. Denn dadurch, dass die Wittwe von Zarpath den Elia speiste, war sie so glücklich, ihren Sohn am Leben zu erhalten. So war es auch mit der Sune- mitin. Dadurch, dass sie den Elisa speiste, hat sie ihren Sohn am Leben erhalten.
Nach R. Jehuda bar Hai soll Elia sogar Lichter und Dochte bei sich von einem Orte zum andern geführt haben, um kein Geschöpf bemühen (in Anspruch nehmen) zu müssen. R. Jehuda bar Simon sagte: Hat er denn von dem Ihrigen gegessen? Sie und er haben doch von dem Seinigen gegessen (sie hat somit von ihm, nicht er aber von ihr Genuss gehabt), wie es auch heisst I Reg. 17, 15: „Sie und er ass." Dadurch aber, dass sie ihn so freundlich aufnahm und bediente, erhielt sie ihren Sohn am Leben, um wieviel mehr habt ihr Bewohner von Uscha, ihr IMenschen- freunde, von der Zukunft zu erwarten!
Es folgte R. Elieser bar R. Jose, des Galiläers und er trug vor: Es heisst i Sam. 15, 6: „Saul Hess den Keniten sagen: weichet und ziehet hinab von den Amalekitern, dass ich euch nicht mit ihnen aufreibe, denn ihr erwieset Gutes den Kindern Israels, als sie aus Aegypten zogen." Der hier erwähnte Kenite ist nach R. Eleasar niemand anders als Jethro und dieser bewies sich doch nur gegen Mose freundlich s. Ex. 2, 20 und er war dazu für die ihm geleisteten Dienste noch verpflichtet s. das. V. ig, da er von seinen Töchtern gehört hatte, Mose habe Wasser für sie geschöpft. Weil das Wort Ttb't schöpfen hier zweimal gebraucht ist, so soll nach R. Jehuda damit gesagt sein: Er hat für uns sowohl wie auch für unsere Eltern geschöpft (d. i. er hat uns und sie aus dem Irrwahn ge- hoben). R. Nechemja sagte: INIose hat für uns und für die Hirten geschöpft. Die Rabbinen sagten: Er hat aus Rücksicht auf unsere Aeltern für uns und er hat für die Hirten geschöpft, um den Frieden unter ihnen zu erhalten (und den Neid zu verhüten) und du sprichst von einer an ganz Israel bewiesenen Güte? Es soll damit gelehrt werden, dass das Wohlwollen, welches einem der Grossen Israels bewiesen wird, so anzusehen ist, als sei es dem ganzen \'olke be- wiesen worden. Und nun unsre Brüder, Bewohner von Uscha, wie hoch ist erst eure Handlungsweise anzuschlagen und dankbar an- zuerkennen !
Als letzter Redner trat endlich R. Elieser ben Jacob auf, er fing an: Es heisst Deut. 27, g: „Mose sprach zu ganz Israel: merk auf und höre zu Israeli Heute dieses Tages bist du ein Volk des Ewigen, deines Gottes geworden." Erst heute? Waren sie es nicht schon vor vierzig Jahren geworden, als sie das Gesetz annahmen, und du sagst: heute? Weil Mose das Gesetz ihnen aber an diesem Tage wiederholte und sie es mit Freundlichkeit aufnahmen, so wird das von der Schrift so angesehen, als wenn sie es erst an diesem Tage vom Berge Sinai empfangen hätten. Wie hoch ist
Cap. II, 5. 6. 7. 5^
nun euch, unsre Brüder, Bewohner von Uscha, die ihr unsre Lehrer so freundlich aufgenommen habt, euer Wohlwollen anzurechnen!
V. 6. Seine Linke liegt unter meinem Haupte und seine Rechte umarmt mich.
Unter jener sind die ersten und unter dieser die zweiten Ge- setztafeln, oder unter jener sind die Zizith und unter dieser die Tephillin, oder unter jener ist der mit Schema beginnende Abschnitt und unter dieser das vorgeschriebene Gebet, oder unter jener ist die Laubhütte und unter dieser die wie eine Wolke einst erscheinende Schechina vergl. Jes. 60, ig, oder unter jener ist endlich die Mesusa zu verstehen. R. Simeon ben Jochai hat gelehrt: Ihr sollt schreiben auf die Mesusoth deines Hauses. Lies nicht: '^n''2 deines Hauses, sondern: '^rN"'2 deines Kommens von der Strasse zu deinem Hause. R. Jochanan sagte: Es heisst Ex. 26, 35: „Und stelle den Tisch aussen vor den Vorhang, und den Leuchter dem Tische gegenüber an die Seite der Wohnung nach Süden" u. s. w. Kein Mensch stellt den Leuchter auf die linke Seite, damit nicht die rechte Seite verhindert werde, und kein Mensch legt die Linke unter das Haupt und umarmt mit der Rechten. R. Acha sagte: R. Jochanan beweist es aus Deut. 11, 22: „Den Ewigen sollst du lieben und ihm an- hangen." Wie geschieht das? Durch seine Linke unter meinem Haupte.
V. 7. Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder den Hindinnen auf dem Felde.
Nach R. Elieser beschwor Salomo sie bei dem Himmel und der Erde und „bei den Heerschaaren" d. i. der Heerschaar von oben (des Himmels) und der Heerschaar von unten (der Erde). „Bei den Hindinnen des Feldes" d. i. bei dem Wild des Feldes vergl. Hi. 5. 23.
Nach R. Chanina beschwor er sie bei den Stammvätern und den Stammmüttern, die darum hier Heerschaaren genannt werden, weil sie (spricht Gott) meinen Willen ("'Siiaüi) gethan haben und ich habe meinen Willen an ihnen gethan. „Oder bei den Hindinnen des Feldes" d. i. bei den Stämmen s. Gen. 49, 21.
R. Jehuda bar R. Simon sagte: Er beschwor sie bei der Be- schneidung. „Bei den Heeren" d. i. beim (jüdischen) Heer (Nairn), bei welchem sie als Kennzeichen dient. „Oder bei den Hindinnen des Feldes" d. i. bei denen, die ihr Blut wie das einer Gazelle und eines Widders vergiessen.
Die Rabbinen sagten: Er beschwor sie bei dem Geschlechte, das durch die Rehgionsverfolgung zu leiden hatte; ,;bei den Heeren" d. i. bei denen, die in der Welt meinen Willen (-rvai;) gethan haben und ich meinen Willen an ihnen erfüllt habe. „Oder bei den Hindinnen des Feldes" d. i. bei denen, die ihr Blut zur Heiligung meines Namens vergossen haben, als wäre es das Blut einer Ga- zelle oder eines Widders s. Ps. 44, 2^^.
Wünsche, Midrasch Schir Haschirim. ^ 5
66 tiap. 11, 7.
R. Chija bar Abba sagte: Wenn ein Mensch zu mir spräche: Gieb dein Leben zur Heihgung des götthchen Namens hin, so würde ich es hingeben, jedoch nur, wenn er mich gleich umbräciitc, aber die Qua- len im Zeitalter der Religionsverfolgung kann ich nicht ertragen. Was geschah (wie verfuhr man) im Zeitalter der Religionsverfolgung? Man brachte eiserne Stangen*) und glülite sie weiss im Feuer und legte sie unter ihre Achselhöhlen und nahm ihnen auf diese Weise ihr Leben, oder man brachte zugespitzte Rohrstäbe und trieb sie ihnen unter die Nägel und Hess sie ihr Leben aushauchen. Das ist es, was David Ps. 25, i sagt: ,,Zu dir. Ewiger, erheb' ich meine Seele." Es heisst: N"^bN ich lasse nehmen, weil sie ihre Seelen zur Heiligung des Namens Gottes sich nehmen Hessen.
R. Osaja sagte: Gott sprach zu den Israeliten: Habt Geduld! ich mache euch wie ein Himmelsheer. R. Judan sagte im Namen des R. Meir: Gott sprach zu den Israeliten: Haltet ihr meinen Schwur, so mache ich euch wie ein himmlisches Heer, wo nicht, so mache ich euch wie ein irdisches Heer.
R. Jose bar Chanina sagte: Es handelt sich hier um zwei Schwüre, einer betrifft die Israeliten, der andere die Völker der Welt, jener vereidet die Israeliten, dass sie sich nicht gegen das Joch der Regierungen auflehnen und dieser betrifft die Regierungen, dass sie den Israeliten das Joch nicht zu sehr erschweren sollen, denn wenn sie das thun, führen sie vor der Zeit die Erlösung her- bei (eig. vollziehen sie das Ende, ohne dass es Zeit ist).
R. Levi sagte mit Berufung auf Jes. 32, i: Gott setzt nicht eher einen heuchlerischen König über sein Volk, als bis die Zeit gekommen ist, wo das gesprochene Urtheil zur Vollstreckung kom- men soll (eig. dass er ihre Rechtssache vorträgt und sie vollzieht.
R. Abuhu sagte im Namen des R. Tanchuma: Die israelitischen Vögte beschwerten sich bei Pharao, dass ihnen kein Stroh mehr geliefert werde und wegen der Ziegeln man zu ihnen spreche: ,, Schafft euch solches" und so werden deine Knechte gequält und du versündigst dein Volk s. Ex. 5, 16 d. i. du versündigst dich an dir und an deinem Volke und an deiner (eigenen) Nation und du trägst selbst die Schuld, wenn die Herrschaft von dir genommen und einem anderen Volke gegeben wird.
R. Chelbo sagte: Vier Schw'üre sind hier enthalten, dass näm- lich die Israeliten sich gegen die Regierungen nicht empören, nicht auf das Ende (ihrer Leiden) dringen (sondern geduldig ausharren), ihre Geheimnisse den Völkern der Welt nicht enthüllen und endlich nicht alle auf einmal mit Gewalt aus der Gefangenschaft hinauf- ziehen sollen. Welche Mission hat nun der Messias? Er soll die vertriebenen Israeliten versammeln.
R. Unja sagte: Die vier Schwüre entsprechen den vier Ge- schlechtern, welche die bestimmte Zeit gewaltsam herbeiführen wollten
*) Lies: nriiT eig. Gehämmertes, eiserne Stange, nicht ,~','T";r Globen.
Gap. rr, 7. 8. 67
und gefallen sind; das eine ist das Geschlecht in den Tagen Am- rams, das andere das Geschlecht in den Tagen der Richter*), das dritte das Geschlecht in den Tagen Cosebas (d. i. Cochbas) und das vierte das Geschlecht in den Tagen des Schutelach, des Ephraimiten s. Ps. 78, 9. Andere schalten zwischen dem Zeitalter Amrams und Cosebas no ch das Zeitalter der Religionsverfolgung ein.
Die Genannten berechneten die Zeit, in welcher Gott mit un- serm Vater Abraham bei der Bundesschliessung zwischen den Stücken geredet und fingen von der Geburt Jizchaks an. Was machten sie? Sie rotteten sich zusammen, zogen in den Krieg und es fielen viele von ihnen als Erschlagene, weil sie nicht auf den Ewigen vertrauten und auf seine Hilfe nicht zuversichtlich harrten und den Schwur nicht beachteten.
w'eckt sie nicht auf, regt die Liebe nicht an, bis es ihr gefällt.
R. Judan sagte: Das ist die Liebe, welche Jizchak zu Esau hatte s. Gen. 25, 28. Was heisst das: „Bis es ihnen gefällt?" Bis der Wunsch des Alten in Erfüllung ging.
R. Berachja sagte: Es ist hier von der Liebe Gottes gegen Israel die Rede, welche der Prophet Maleachi i, 2 in Erinnerung bringt. Was heisst das: „Bis es ihnen gefällt?" Die himmlische Macht wird die Erlösung eintreten lassen, wenn die Strafgerechtig- keit es wollen wird.
ZWEITE ORDNUNG.
V. 8. Horch — mein Geliebter! Siehe er kommt!
Damit ist nach R. Jehuda Mose gemeint. Als er den Israeliten verkündigte: In diesem Monat werdet ihr erlöst, sprachen sie zu ihm: Mose, unser Lehrer! wir sollen erlöst werden? Hat nicht Gott dem Abraham gesagt, dass wir 400 Jahre in der Sclaverei gepeinigt werden sollen s. Gen. 15, 13, es sind doch erst 210 Jahre verstrichen? Wenn der Allerhöchste eure Erlösung für gut findet, erwiederte Mose, so sieht er nicht auf eure Berechnungen, sondern er hüpft über die Berge, über die Hügel, worunter nur ab- gegrenzte Zeiten und Schaltjahre zu verstehen sind, die er über- springt, ich sage euch: In diesem IMonat sollt ihr erlöst werden, wie es heisst Ex. 12, 2: „Dieser Monat soll euch der erste der Mo- nate sein."
R. Nechemja sagte: Als Mose den Israeliten verkündete: In diesem Monat werdet ihr erlöst! sprachen sie zu ihm: Unser Lehrer
*) D. i. der Richter der Diaspora, Oder es ist für ";'i vielleicht »JVI (in den Tagen) Ja van s zu lesen.
68 ^^P- II' 8. 9.
Mose! wie können wir erlöst werden, wir sind uns doch keiner guten Werke bewusst? Da er euch befreien will, antwortete Mose, so sieht er nicht auf eure bösen Thaten, sondern er sieht auf die Frommen unter euch und ihre Thaten, wie beispielsweise auf Am- ram und seinen Gerichtshof. ,,Er hüpft über Berge und springt über Hügel." Unter den Bergen sind nur die Gerichtshöfe zu ver- stehen vergl. Jud. ii, 27 und in diesem Monat sollt ihr erlöst werden, wie es heisst: ,, Dieser Monat sei euch der erste der Monate."
Die Rabbinen sagten: Als Mose den Israeliten eröffnete, dass sie in diesem Monat erlöst werden sollten, sprachen sie zu ihm: Mose, unser Lehrer! wie können wir erlöst werden, da ganz Aegypten von unsrer Abgötterei besudelt ist? Da er eure Erlösung will, er- wiederte Mose, so sieht er nicht auf eure Abgötterei, sondern „er hüpft über die Berge und Hügel" und unter den Bergen ist nur der Götzendienst zu verstehen vergl. Hos. 4, 13: „Auf den Häuptern der Berge opfern sie und auf den Hügeln räuchern sie", allein in diesem Monat werdet ihr erlöst werden, wie es heisst: „Dieser Monat sei euch" u. s. w.
R. Hunja im Namen des R. Elieser ben Jacob sagte: Unter ,,der Stimme meines Freundes" ist der König Messias zu verstehen. Wenn er den Israeliten verkündet: In diesem Monat werdet ihr er- löst! so entgegnen sie ihm: Wie können wir erlöst werden, hat nicht Gott geschworen, dass er uns siebzig Völkern unterwerfen will? Er giebt ihnen darauf eine zweifache Antwort. Wenn einer von euch nach der Barbarei, ein anderer nach Samothracien wan- dert, so gilt das soviel, als wenn ihr alle dahin versetzt worden wäret und nicht nur das, sondern dieses (römische) Reich schreibt Steuern aus über die ganze Welt; wenn ein Cuthäer, ein Barbar euch unterjocht, so gilt das soviel, als wenn eure ganze Nation von siebzig Völkern unterjocht worden wäre. Ich sage euch: In diesem Monat werdet ihr erlöst werden, wie es heisst: „Dieser Monat sei euch der erste der Monate."
V. 9. Mein Geliebter gleicht einer Gazelle.
R. Jizchak sagte: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Herr der Welt! du sagtest zu uns anfangs dlog ölog (mit Anspielung auf """nn) d. i. dius dius. „Mein Geliebter gleicht einer Gazelle." Sowie die Gazelle von Berg zu Berg, von Thal zu Thal, von einem Baum zum andern, von einem Dickicht zum andern hüpft, ebenso sprang Gott (in drei Offenbarungen) von Aegypten zum Meere, vom Meere zum Sinai und vom Sinai zur Zukunft. In Aegypten sähet ihr ihn s. Ex. 12, 12, ebenso am Meere s. das. 15, 2, am Sinai s. Deut. 5, 4 vergl. das. 33, 2. Unter S'b''Nn "^Eir ist nach R. Jose bar Chanina das Junge der Gazelle zu verstehen.
Da steht er schon hinter unsrer Wand d. i. hinter der Wand des Sinai s. Ex. ig, 11, schaut durch die Fenster hin- durch s. V. 20, blickt durch die Gitter s. das. 20, i.
Cap. II, lO. 5q
V. lo. Mein Geliebter rief und sprach zu mir. Was? Ich bin der Ewige s. das. V. 2.
Oder: Die Gemeinde Israel spricht vor Gott: Herr der Welt! Du sagtest zu uns im Anfange dlog dlog. „Mein Geliebter gleicht der Gazelle." Sowie die Gazelle von Berg zu Berg, von Thal zu Thal, von Baum zu Baum, von Dickicht zu Dickicht und von Mauer zu Mauer hüpft, ebenso springt Gott von einem Versammlungs- hause zum andern und von einem Lehrhause zum andern. Und das alles warum? Um Israel zu segnen. In wessen Verdienst? Im Verdienste Abrahams s. Gen. 18, i. Weil da nicht 3"dv, son- dern n'd"' steht (was für das Perf. gelesen werden kann), so erklärte R. Berachja im Namen des R. Levi, dass Abraham, als Gott ihm erschien, sass und nun aufstehen wollte. Bleib sitzen! rief ihm Gott zu, du dienst deinen Kindern als günstiges Vorzeichen; wie du hier sitzest und ich stehe, so werden deine Kinder beim Lesen des Schema auch im Versammlungs- und Lehrhause sitzen und meine Herrlichkeit wird bei ihnen stehen s. Ps. 82, i, wo nicht HTOiy son- dern n^j steht, was nach R. Chaggi im Namen des R. Jizchak soviel wie D"7:':;"'S (eroi/iiog) bedeutet d. i. „Gott ist gegenwärtig in ihrer Versammlung" s. Ex. 34, 2 vergl. Jes. 65, 24. R. Samuel sagte im Namen des R. Chanina: Bei allen Lobpreisungen Israels sitzt Gott unter ihnen s. Ps. 22, 4.
R. Jose bar R. Chanina legte obigen Vers auf diese Weise aus: „Er steht hinter unserer Wand" d. i. hinter der Wand der Versammlungs- und Lehrhäuser, ,,lugt durch die Fenster" d. i. zwi- schen die Schultern der segensprechenden Priester, „blickt durch die Gitter" d. i. zwischen die Finger der segensprechenden Priester, „mein Geliebter antwortet und spricht zu mir" d. i. der Ewige segne dich und behüte dich s. Num. 6, 24.
Oder: Die Gemeinde Israel spricht zu Gott: Du sprachst an- fangs zu uns: ölog, ölog. Sowie diese Gazelle bald sichtbar, bald unsichtbar ist, so war auch der erste Erlöser (Mose) bald sichtbar, bald unsichtbar. Wie lange war er unsichtbar? R. Tanchuma sagte: Drei Monate s. Ex. 5, 20.
R. Jehuda bar Rabbi sagte: Zur rechten Zeit wird auch der letzte Erlöser ihnen bald sichtbar, bald unsichtbar sein. Wie lange? 45 Tage, wie Dan. 12, 11. 12 geschrieben steht. Wie wird er in den übrigen 45 Tagen sein? In diesen Tagen, sagte R. Jochanan ben Kezartha im Namen des R. Jona, wird er unsichtbar sein und sie werden für die Israeliten verhängnissvoll sein vergl. Hi. 30, 4.
Und wohin wird er sie führen? Nach der Meinung des einen nach der Wüste Jehuda s. Hos. 12, 10, nach der Meinung eines anderen nach der Wüste Sichon und Og s. das. 2, 16. 17, wer ihm vertraut und ihm folgt und geduldig ausharrt, wird glücklich leben, wer aber ihm nicht traut, sondern zu den Völkern der Welt über- geht, der wird von diesen erschlagen werden.
^O Cap. II, lo. II. 12.
R. Jizchak bar Marjon sagte: Nach \'erlauf der 45 Tage wird er ihnen erscheinen und das Manna für sie herabbringen. Es giebt nichts Neues unter Sonne s. Koh. i, 9.
Oder: „Mein Freund gleicht einer Gazelle'* d. i. dem Jungen der Gazelle; ,,er steht hinter unserer Wand" d. i. hinter der Wand an der Abendseite des Heiligthums. Warum? Weil Gott ihr ge- schworen hat, sie werde nicht eher zerstört werden, wie das Priester - und Chuldathor, als bis er sie erneuert habe. ,,Er schaut durch die Fenster" d. i. auf die Tugenden der Väter, ,,er blickt durch die Gitter" d. i. auf die Tugenden der Mütter; „mein Geliebter ruft und spricht zu mir." Was? „Dieser Monat sei euch der erste der Monate" s. Ex. 12, 2.
R. Asarja sagte: r;:r heisst hier nicht antworten und n73N nicht sprechen, sondern der Sinn ist: Er antwortete mir durch Mose und er sprach zu mir